Gastbeitrag: Trixi von europa-entdecker.com
Wer so wie ich ein halbes Jahr auf Kreta lebt, sucht hin und wieder nach Orten abseits der Massen. Es ist schön, die bekannten Highlights und Touristenziele von Kreta zu besuchen. Doch die Insel hat auch viel zu bieten, wenn man sich nach Ruhe sehnt. Und da gibt es noch einige Geheimtipps auf Griechenlands größter Insel zu entdecken.
Vier Tipps, um Kreta abseits der Massen zu erleben
Wandern in der Mili-Schlucht
Kreta hat viele berühmte Schluchten, die zu einer Wanderung einladen. Es gibt aber auch Schluchten, die fast nur die Einheimischen kennen. Eine davon ist die Mili-Schlucht. Eine Reiseleiter-Kollegin, die bereits mehrere Jahre auf Kreta stationiert war, hat mir davon erzählt. Die Schlucht befindet sich nur wenige Kilometer südlich von Rethymnon. Der Eingang ist etwas schwierig zu finden und nur durch ein kleines blau-gelbes Schild gekennzeichnet. Aber wenn man ihn mal gefunden hat, kann die Wanderung beginnen.
Für mich – mit zugegebenermaßen recht schlechtem Orientierungssinn – war es ein absolutes Abenteuer. Ich war beeindruckt von der Vielfalt der Landschaften und auch ein wenig verunsichert von verlassenen Bauten am Weg, die mich an eine Geisterstadt erinnerten. Bei der ersten Ruine hatte ich noch ein paar Bedenken, mich genauer umzusehen, doch das änderte sich im Laufe der Wanderung rasch. Je weiter ich gegangen war, desto größer wurde mein Erkundungsdrang. Ich kam vorbei an Häuserruinen, die von Bäumen und Wurzeln durchwachsen und von Efeu überflutet waren. Fensterfronten standen mitten in der Landschaft. Und ich sah zurückgelassene Gartenmöbel und alten Brücken.
Langsam entstanden dabei Geschichten in meinem Kopf. Ich malte mir aus, was mit diesen Häusern passiert war, wieso sie verlassen wurden und welche Absichten die Menschen damals hatten. Zudem kam ich an drei kleinen Kirchen vorbei, teilweise in den Felsen gebaut, an einem Friedhof und zu meinem Glück auch an einer Taverne mit sehr leckerem Essen, die mir einen Platz zum Ausruhen bot.
Auf der gesamten Strecke begegnete ich lediglich – abgesehen vom Eigentümer der Taverne – zwei anderen Menschen. Man kann also wirklich sagen, dass die Schlucht absolut abseits der Massenwanderwege liegt und sehr viel Ruhe und Entspannung bietet. Für mich entpuppte sie sich als ein Ort des inneren Friedens. Bis ganz zum Ende der Schlucht habe ich es jedoch nicht geschafft, weil ich immer im Hinterkopf hatte, dass ich den Weg wieder zurück zum Schluchteingang und meinem dort geparkten Auto gehen muss. Da es doch sehr heiß war, habe ich beschlossen, schon früher umzukehren. Die Tour war definitiv eines der entspanntesten und gleichzeitig auch aufregendsten Erlebnisse – Kreta abseits der Massen.
Zeitreise vom Norden in den Süden
Während meines sechsmonatigen Aufenthalts als Reiseleiterin auf Kreta habe ich mir eines ganz fest vorgenommen: An jedem freien Tag wollte ich etwas Neues auf der Insel entdecken. Manchmal hatte ich dafür bestimmte Ziele vor Augen, zu denen natürlich auch die bekannten Sehenswürdigkeiten der Insel gehörten. An einem anderen Tag schnappte ich mir einfach meine Karte und meinen Reiseführer und fuhr los. Als ungefähres Endziel hatte ich Agia Galini im Süden Kretas vor Augen. Die Strecke dorthin von meinem Ausgangspunkt in Rethymnon, im Norden der Insel, ließ ich mir offen.
Auf meinem Weg über die Berge kam ich an vielen kleinen Dörfern vorbei. Oft bestanden sie nur aus einigen wenigen Häusern. Man konnte sie an zwei Händen abzählen. Ich hatte sofort das Gefühl, in eine andere Zeit zurückversetzt worden zu sein und in einen ursprünglicheren, traditionelleren und auch einfacheren Teil Kretas vorgedrungen zu sein. Auf Kreta abseits der Massen begegneten mir immer wieder Ziegen und Schafe. Sie spazierten seelenruhig die Straße entlang. An einer Stelle sah ich eine ältere Frau mit einem Esel, die mir beim Vorbeifahren zugewinkt hat. Da nur wenige Touristen die kleinen Straßen über die Berge nehmen, begegnete sie wahrscheinlich nicht oft Fremden.
In einem anderen Dorf wollte ich kurz anhalten, um ein Foto von einer kleinen Kirche zu schießen. Während ich – die Kamera gezückt – davorstand, kam eine Dorfbewohnerin aus einem der Häuser und fragte mich auf Griechisch, ob ich den Innenraum der Kirche besichtigen wolle. Obwohl ich kaum Griechisch konnte, verstand ich, was sie mir sagen wollte. Ich wartete vor der Kirche, bis sie mit einem riesigen Schlüssel zurückkam. Sie sperrte die Kirche für mich auf und wir traten beide ein.
Ich bemerkte zuerst die kühle Luft, die mir entgegen strömte, und war froh über die Abkühlung. Die Dame neben mir küsste sofort nach dem Eintreten alle Ikonen und Statuen und wartete dann, bis ich mich fertig umgeschaut hatte. Sie schenkte mir eine Jesus-Postkarte und lud mich zu sich nach Hause auf einen griechischen Kaffee ein. Was für eine Gastfreundschaft! In ihrem Haus traf ich auf zwei Männer, die ebenfalls Kaffee tranken, Zigarren rauchten und mit ihren Kombolois spielten. Ich habe die Zeit mit den Einheimischen genossen. Diese Gelegenheit hat man nicht oft. Ich verließ dieses kleine Dorf mit einem Lächeln im Gesicht. Hatte ich doch wieder einmal erfahren, wie gut Kommunikation auch ohne Worte funktioniert.
Als ich dann in Agia Galini ankam, freute ich mich, nach so langer Zeit in karger Berglandschaft endlich wieder das Meer zu sehen. In diesem ehemaligen Fischerdorf war die Zeitreise für mich wieder beendet – ich wurde zurück in die Gegenwart katapultiert. Doch auch wenn durch den Bau von Hotels und Wohnblocks viel von dem ursprünglichen Charme dieses Ortes verloren gegangen ist, fehlt hier von Massentourismus jede Spur. Das macht Agia Galini zum perfekten Ferienort auf Kreta abseits der Massen – vor allem für ältere Reisende und Langzeitgäste. Außerdem ist es ein guter Ausgangspunkt für Ausflüge nach Festos, Agioa Triada und abgelegenen Stränden wie Agios Pavlos oder Triopetra.
Ich weiß nicht genau, welche Route ich tatsächlich von Rethymnon nach Agia Galini genommen habe und wie die Dörfer hießen, in denen ich unterwegs Stopps eingelegt hatte. Aber ein Road-Trip vom Norden der Insel in den Süden, über die Berge und durch die kleinen Ortschaften, kann so viele Überraschungen bereithalten. Du solltest nicht nur das Ziel vor Augen haben, sondern auch den Weg dorthin genießen und bewusst Stopps einlegen.
Buche eine von vielen Outdooraktivitäten auf Kreta bei Manawa [Affiliate-Link, Werbung]
Spätminoischer Friedhof von Armeni
Den Palast von Knossos ist die Top-Sehenswürdigkeit auf Kreta. Ich war davon eher enttäuscht und konnte mit den Rekonstruktionsbauten nur wenig anfangen. Wenn du dennoch Lust auf archäologische Stätten hast, solltest du dir den spätminoischen Friedhof von Armeni ansehen. Dieser liegt ca. 2 Kilometer von Armeni entfernt. Ich war sehr beeindruckt von den rund 200 Gräbern, die zwischen 1300 und 1150 vor Christus (!!!) in den Felsen gegraben wurden. Spannend ist auch, dass bisher noch keine Spuren einer Siedlung in der Nähe der Gräber entdeckt wurden. In den Gräbern selbst wurden jedoch Keramik, Waffen und auch Schmuckgegenstände gefunden. Diese kannst du im Archäologischen Museum in Rethymnon besichtigen.
Ich empfand die Gräber als beeindruckend und gleichzeitig auch ein bisschen spooky. Da ich noch nie zuvor etwas Ähnliches gesehen hatte, spazierte ich ohne Erwartungen hinein. Und mit einem Mal fand ich inmitten von kleinen Tunneln, die zu unterschiedlichen Gräbern führten, wieder. Manche waren zu klein, um einzutreten, andere jedoch waren so groß, sodass man sich drinnen sogar umsehen konnte. Ich hatte dabei immer ein bisschen Respekt, da man nie wirklich wusste, was einem am Ende des jeweiligen Tunnels erwarten würde. Für Fans alter archäologischer Stätten ist der Friedhof von Armeni auf jeden Fall ein einzigartiger Ort auf Kreta abseits der Massen. Ein Besuch katapultiert dich in längst vergangene Zeiten zurück und lässt sehr viele Fragen offen.
Höhlen und Museen: Mein Geburtstags-Road-Trip auf Kreta abseits der Massen
Mit meinen Reisleiter-Kolleginnen hatte ich am Vorabend in meinen Geburtstag hineingefeiert, doch am eigentlichen Tag meines Geburtstages mussten diese arbeiten. Ich hatte mir den Tag frei genommen, um ein paar der weniger bekannten Sehenswürdigkeiten Kretas zu besuchen. Daraus entwickelte sich ein kleiner Roadtrip abseits der typischen Touristenwege. Ich entdeckte einige tolle Orte, die mich sehr inspirierten und gleichzeitig auch in eine ganz eigene Stimmung versetzten.
Mein erster Stopp war die Melidoni Höhle mit ihrer traurigen Geschichte. Sie war Schauplatz des kretischen Widerstandes gegen die osmanische Belagerung. Viele Leute verloren in dieser Höhle 1823 ihr Leben. Es waren rund 400 Dorfbewohner, die in diesem Jahr in der Tropfsteinhöhle Schutz vor der osmanischen Armee gesucht hatten. Als sie sich auch nach dreimonatiger Belagerung geweigert hatten, herauszukommen und sich zu ergeben, warfen die Soldaten brennendes Holz in die Höhle und alle Dorfbewohner erstickten.
Zu ihrem Andenken befindet sich in der Mitte der «Heldenhalle» ein weißer Sarkophag, der rund herum von Lichtern beleuchtet ist. Beim Erreichen dieses Punktes spürte ich die Gänsehaut auf meinen Armen. Und auch wenn all das schon fast 200 Jahre her ist, die Stimmung ist nach wie vor sehr traurig und berührend.
Mein zweiter Stopp führe mich in das Holzskulpturen-Museum in Axos, in dem der Bildhauer Georgios Koutantos sein Lebenswerk präsentiert. Die lebensgroßen Holzskulpturen stellen Personen aus der Region dar. Georgios Koutantos arbeitete mit Fotos, um diese Personen detailgetreu darzustellen. Besonders gefallen hat mir eine Skulpturengruppe, die eine Hochzeit darstellte. Damit werden gleichzeitig Rituale und Traditionen einer kretischen Hochzeit erklärt. Neben Personen aus der Region siehst du auch andere Holzskulpturen wie beispielsweise Herkules, der einen Löwen tötet, oder einen Adler mit einer Flügelspannweite von sechs Metern.
Das Besondere an dem Museum ist, dass der Künstler einen durch das Privatmuseum führt und einem dabei auch Geschichten zu den einzelnen Skulpturen erzählt. Mit jedem Wort spürt man die Leidenschaft von Georgios für seine Arbeit und wird vom ersten Moment an mitgerissen. Das Holzskulpturen-Museum in Axos ist sicherlich noch ein Geheimtipp auf Kreta.
Mein dritter und auch letzter Stopp war eine weitere Höhle, und zwar die Sfendoni-Höhle. Denn wenn die Temperaturen draußen stetig nach oben klettern, gibt es nichts Besseres, als sich in einer Höhle abzukühlen. Diese Grotte befindet sich unweit des Dorfes Zoniana. Insgesamt können hier sieben Kammern besichtigt werden, die allesamt klingende Namen wie «Feenheiligtum» oder«Palast des Zeus» haben. Überall wimmelt es von Stalagmiten in der Form von Orgelpfeifen, Kuppeln, Wellen, Vorhängen und anderen Gebilden. Was mich besonders beeindruckt hatte, waren die unterschiedlichen Farben, mit denen diese Gebilde beleuchtet wurden. Sie verliehen jedem «Raum» ein ganz eigenes Flair verliehen.
Über die Autorin
Trixi ist Bloggerin, Reiseleiterin und Schreibcoach. Sie reist für ihr Leben gern. Die Insel Kreta, wo sie sechs Monate gelebt hat, hat es ihr besonders angetan. Auf ihrem Blog europa-entdecker.com schreibt sie über ihre Erlebnisse unterwegs.
Griechenland abseits der Massen
- Amorgos: die 10 schönsten Orte auf der Insel
- Astypalea: von Schmetterlingsflügeln, einer beeindruckenden Chora und viel Nachhaltigkeit
- Karpathos im Oktober, ein echter Geheimtipp für Ruhesuchende und Individualisten
- Olympos auf Karpathos: Zeitreise in ein Dorf lebendiger Traditionen
- Koufonissi, süßes Nichtstun auf den Kleinen Kykladen
- Milos und Folegandros: Inselhüpfen auf den Kykladen
- Ein Bootshaus in Klima, eine der schönsten Unterkünfte auf Milos
- Sifnos: 10 Tipps rund um Orte, Strände, Kulinarik, Kirchen und Keramik
- Serifos: 10 Gründe für einen Besuch auf der Insel der Medusa