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Matera: Tipps für einen Aufenthalt in der Stadt der Sassi

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Eine der ältesten Städte der Welt, Schandfleck Italiens, UNESCO-Weltkulturerbe, Kulturhauptstadt Europas 2019, Filmkulisse, aufstrebende Tourismusdestination und vor allem ein faszinierendes, verschachteltes Labyrinth aus Stein – all das ist Matera. Die 60’000-Einwohner-Stadt in der Region Basilicata ist reich an Geschichte und Gegenwart. Wer die Sassi besucht, kann sich ihrer Faszination nur schwer entziehen. Sie sind ein Ort, der die Sinne und die Fantasie beflügelt.

Lass dich von mir in die Stadt der Sassi und ihrem pittoresken Häusergewirr entführen. Wenn auch du mit einer Reise in die Felsenstadt Matera liebäugelst, findest du in diesem Beitrag Tipps zu Highlights und Erkundungen sowie zur Planung eines Aufenthalts in dieser nahezu unwirklich scheinenden Stadt.

Matera: Tipps und Sehenswürdigkeiten

Tipp 1: Die Sassi erkunden

Wimmelbilder sind großflächige Kunstwerke, in denen es tausende kleine Geschichten zu entdecken gibt. Der Blick auf die Sassi ähnelt einem solchen Wimmelbild. Das dreidimensionalen Labyrinth mit übereinander gestapelten Häusern, Kirchen, Gassen, Treppen und Terrassen hält ganz viele Überraschungen bereit. Sassi bedeutet nichts anderes als Steine. Und tatsächlich sind die beiden Viertel «Sasso Barisano» und «Sasso Caveoso» in den Kalkstein («tufo» genannt) gehauene Wohnhöhlen, die häufig mit Fassaden oder kleinen Vorbauten erweitert wurden und dadurch aussehen wie normale Häuser.

wie ein Gemälde von M.C. Escher

Die Sassi sind heute das Wahrzeichen und das, was die süditalienischen Stadt eigentlich ausmacht. Nimm dir ausreichend Zeit, um die Felsenstadt zu erkunden. Aber denke daran, bequeme Schuhe zu wählen. Das Kopfsteinpflaster ist glatt und abgetreten, definitiv nicht gemacht für hohe Absätze oder Sohlen ohne Profil. Auf deinen Streifzügen durch die Felsenstadt wirst du weite Strecken und unzählige Treppenstufen zurücklegen und einige Höhenmeter überwinden. Es könnte anstrengend und schweißtreibend werden. Je nach Jahreszeit lohnt es sich, in den Morgen- oder Abendstunden loszuziehen.

Alleine wegen der Farben ist das fast schon Pflicht. Denn je nach Tageszeit, Witterung und Licht verändern die Steine ihre Farben. Sie leben, wie die Einheimischen sagen. Tagsüber wirken die Sassi nahezu kalt. Am Morgen und am Abend taucht die Sonne alles in ein honigfarbenes Licht. Dann erstrahlen die Steine in warmen Farben, von hellem Orange über sanftes Rosa bis hin zu einem zarten Violett.

Tipp 2: Aussichtspunkte

Ich gehöre zu denen, die sich zu Beginn eines Aufenthalts gerne einen Überblick über eine Stadt verschaffen. Das hilft bei der ersten Orientierung. Ein beliebter Fotospot, der Belvedere Murgia Timone, befindet sich auf der anderen Seite der Schlucht gegenüber der Stadt. Hier kannst du eine der berühmten Aufnahmen aus einer Höhle heraus machen. Zu erreichen ist der Aussichtspunkt entweder mit dem Auto oder im Rahmen einer Rundfahrt oder nach einer Wanderung durch die Schlucht. Leider wird der Gesamteindruck durch hässliche Betonklötze in der Neustadt getrübt.

Ich finde die Aussichtspunkte in den Sassi selbst wesentlich schöner. Zu ihnen zählen der Belvedere di Piazza Giovanni Pascoli und der Belvedere Luigi Guerricchio. Aber auch von der Piazza Duomo, der Chiesa di San Pietro Barisano oder der Chiesa Rupestre di Santa Maria di Idris genießt du fantastische Ausblicke auf das Häusermeer.

Tipp 3: Höhlenkirchen

Mehr als 150 Höhlenkirchen wurden hier in den Stein gehauen. Die drei wichtigsten kannst du mit einem Kombiticket besuchen. Die Chiesa San Pietro Barisano bestimmt mit ihrem Glockenturm das Bild des Sasso Barisano. Sie ist die größte Felsenkirche und stammt aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Leider wurden in den 1960er- und 1970er-Jahren, nach der Zwangsräumung der Sassi, viele Kunstgegenstände gestohlen oder zerstört. Am interessantesten finde ich die unterirdische Krypta.

Bei den Kirchen San Giovanni in Monterrone und Santa Maria de Idris im Sasso Caveoso handelt es sich im einen Kirchenkomplex. Beide Kirchen sind fast vollständig in den Felsen gehauen, und zwar in den wohl markantesten Felsen oberhalb der Schlucht der Gravina und der Kirche San Pietro e Paeolo al Caveoso. Gleichzeitig eröffnet sich auf dem Vorplatz ein grandioser Blick auf die Sassi, die wie ein Amphitheater vor dir liegen.

Mein persönlicher Favorit ist die Felsenkirche Santa Lucia alle Malve ebenfalls im Sasso Caveoso. Sie entstand zusammen mit einem Kloster des Benediktinerordens. Die Fresken in den drei Kirchenschiffen sind wirklich eindrücklich. Selbstverständlich ist das Fotografieren in allen drei Kirchen streng untersagt.

Tipp 4: In einer Höhlenwohnung übernachten

Die Sassi gehören heute den Touristen. Nur wenige Einheimische sind zurückgekehrt. Diejenigen, die hier leben, tun dies vom Tourismus. Die ehemaligen Wohnhöhlen beherbergen heute Bars, Trattorien, Ferienwohnungen und Luxushotels. Die Airbnb-Dichte in der Region ist angeblich eine der höchsten der Welt. Was fehlt ist der ganz normale Alltag mit Lebensmittelgeschäften, Schulen oder Arztpraxen.

Das Leben ist zurück, aber nicht der Alltag.

Was auf Besucherinnen und Besucher romantisch, geschichtsträchtig oder chic wirkt, ist im Alltag mit viel Komfortverzicht verbunden. Mit dem Auto kommt man nicht weit in den Sassi – das gilt übrigens auch für Rollkoffer. Und selbst die renovierten Höhlenwohnungen bleiben eng und dunkel. Die Zimmer in den Höhlenhotels der Sassi bieten heute jeglichen Komfort. Klimaanlagen sorgen für die nötige Kühlung oder Wärme und Luftentfeuchter dafür, dass die Übernachtungsgäste von der Feuchtigkeit in den Höhlen kaum etwas mitkriegen. Authentizität ja, aber bitte nur mit dem nötigen Komfort. Und so haben die Zimmer in den Sassi auch ihren Preis. Sie kosten gerne einmal das Doppelte oder Dreifache von dem, was du in der Neustadt bezahlst.

Dennoch: Wenn du hier übernachtest, solltest du dies in einer Höhlenwohnung tun. Du bist mitten im Geschehen und hast die einzigartige Kulisse der Sassi vor dir. Ich verbringe zwei Nächte im relativ neuen Pianelle Resort gleich bei der Kirche San Pietro Caveoso.

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Tipp 5: Palombaro Lungo

Ein Grund, warum die Sassi zum UNESCO-Welterbe erklärt wurden, ist das weit verzweigte unterirdische Wassersystem. Das ausgeklügelte Bewässerungssystem bestand aus mehreren miteinander verbundenen Zisternen, über die das Regenwasser gesammelt und verteilt wurde. Direkt unter der Piazza Vittorio Veneto kannst du eines der Wasserreservoirs besichtigen. Mit einem Fassungsvermögen von fünf Millionen Litern Wasser, einer Tiefe von 16 und einer Länge von 50 Metern ist der Palombaro Lungo die größte Zisterne der Stadt.

Es handelt sich um ein Meisterwerk der Wasserbaukunst. Über Metalltreppen und -stege wanderst du durch die verschiedenen Hohlräume, die miteinander verbunden sind. Die Kalksteinwände sind mit einem wasserfesten Putz (Cocciopesto) überzogen. Die Bezeichnung «Kathedrale des Wassers» wirkt sehr passend. Der Besuch ist eindrücklich. Für den kurzen Rundgang solltest du etwa 15 Minuten einplanen.

Tipp 6: Museen

Wenn du ausreichend Zeit mitbringst, kannst du in den zahlreichen Museen tief in die Geschichte eintauchen. So zeigt das Nationale Archäologische Museum in der Via Domenico Ridola Exponate aus der Steinzeit bis heute. Das Nationale Museum für Mittelalterliche und Moderne Kunst der Basilicata findest du unter anderem Kunstwerke aus den Kirchen der Basilicata und Gemälde von Carlo Levi. Für Kunstinteressierte bietet sich ein Besuch im MUSMA – Museum für zeitgenössische Kunst an. Das Museum ist eine Kombination zwischen Altem und Modernem.

Überall in den Sassi triffst du auf Casa Grotta, historisch eingerichtete Höhlenwohnungen, die du besichtigen kannst. Dabei erhältst du einen Einblick in die beengten Wohnverhältnisse. Alte Möbel, Haushalts- und Gebrauchsgegenstände zeugen vom Leben und Arbeiten in früheren Zeiten. Die Casa Noha in der Nähe des Doms erlebst du eine multimediale Reise von der Urgeschichte bis heute. Ein Film gibt Einblick in das erbärmliche Leben in den Sassi und die Zwangsumsiedlungen Mitte des letzten Jahrhunderts. Der Besuch bietet sich zu Beginn des Aufenthalts an.

Tipp 7: Wanderungen im Parco della Murgia Materana

Bei diesem Park handelt es sich um ein geschütztes Naturgebiet. Die archäologische Naturlandschaft mit den vielen Felsenkirchen und Höhlen erstreckt sich über 80 km² bis Montescaglioso. Die Wanderung über die Ponte Tibetano della Gravina von Matera auf die gegenüberliegende Seite der Schlucht zum Belvedere Murgia Timone ist sehr beliebt. Für die etwa drei Kilometer lange Wanderung solltest du zwei bis drei Stunden einrechnen. Die Dauer ist natürlich davon abhängig, wie viele Felsenkirchen du besichtigen möchtest.

Während meines Aufenthalts ist der Weg von der Stadt her geschlossen. Angeblich besteht Steinschlaggefahr. Viele klettern dennoch über das Tor. Ich entscheide mich dafür, am Tag meiner Abreise Richtung Ostuni mit dem Auto zum Aussichtspunkt zu fahren und von dort zur Brücke abzusteigen.

Praktische Informationen

Matera ist eine Stadt in der süditalienischen Region Basilikata mit rund 60’000 Einwohner/-innen. Sie liegt an der Grenze zur Nachbarregion Apulien. Nach Bari sind es ungefähr 60 Kilometer, mit dem Auto dauert das eine gute Stunde – mit der Bahn doppelt so lange. Ich habe meinen Aufenthalt mit einem Roadtrip durch Apulien kombiniert. Parken musst du in in der Stadt teuer bezahlen. Die Zufahrt zu den Sassi ist für den Privatverkehr stark eingeschränkt. Viele Hotels bieten Parkplätze in den Parkhäusern der Neustadt inklusive Transfer im Minibus an. Das kostet ca. € 30.– pro Tag. Ein bisschen günstiger kommst du, wenn du deinen Parkplatz selbst organisierst und zu Fuß zur Unterkunft wanderst.

Ich habe Apulien und Basilicata Mitte April besucht. Die Temperaturen waren angenehm und die Stadt nicht überlaufen. In den Sommermonaten kann es mit 35° C und mehr recht heiß und voll werden. Meiner Meinung nach ist die beste Reisezeit zwischen April und Juni und September bis November.

Viele kommen für einen Tagesausflug. Dabei ist es ein bisschen wie in Venedig. Ihren wahren Charme entfaltet die Stadt erst bei Dunkelheit, wenn die Touristenmassen weg sind. Zwar kannst du die wichtigsten Sehenswürdigkeiten innerhalb eines Tages besuchen, um wirklich etwas von der Atmosphäre zu spüren solltest du zumindest eine Übernachtung einplanen.

I Sassi di Matera, von bitterer Armut zur Kulturhauptstadt

Schon in der Jungsteinzeit war die Hochebene der Murgia besiedelt. Matera gilt zusammen mit dem syrischen Aleppo als einer der ältesten bewohnten Orte der Welt. Die ersten Höhlen befanden sich an den steilen Hängen der Gravina-Schlucht gegenüber der heutigen Stadt. Im Laufe der Jahrhunderte wurden weitere Höhlensiedlungen in den weichen Tuffstein gegraben und als Behausungen genutzt. Die beiden ältesten Viertel, «Sasso Barisano» und «Sasso Caveoso» entstanden. «Sasso» bedeutet übrigens nichts anderes als «Stein». Damit begann die bewegte Geschichte der Stadt mit all ihren Hochs und Tiefs.

Die Sassi, wie ein Gemälde von M.C. Escher

Unter der Herrschaft Napoleons kam es zu einem massiven Zuzug. Der Wohnraum wurde knapp, sodass ehemalige Lagerräume zu Wohnräumen ausgebaut wurden. Etwa 3’000 Höhlenwohnungen waren es, die mehrere Meter in den Fels reichten und von jeweils einer Familie bewohnt wurden. Man lebte zusammen mit Hühnern, Katzen, Hunden, Schafen, Ziegen, Schweinen und Eseln unter auf engstem Raum – ohne Elektrizität, fließendes Wasser, frische Luft oder Tageslicht. Bis zu 30’000 Menschen hausten hier unter prekären hygienischen Bedingungen. Malariaausbrüche und eine hohe Kindersterblichkeit gehörten zum Alltag in den Sassi.

Während des Faschismus wurden Regimekritiker in die karge Gegend der Basilicata verbannt. Einer von ihnen war der Turiner Arzt und Maler Carlo Levi. In seinem Buch «Christus kam nur bis Eboli» schilderte er unter anderem das Leben in den Sassi. Nach dem Erscheinen des später auch verfilmten Romans empörte sich ganz Italien über die katastrophalen Zustände. Der Süden des Landes galt immer schon als Armenhaus. Und während in Norditalien die Wirtschaft florierte, wurde Matera zum Inbegriff des rückständigen Südens. Die Stadt war die «vergogna nazionale», der Schandfleck Italiens.

der Schandfleck Italiens

In der Folge ordnete Ministerpräsident Alcide de Gasperi 1951 eine Zwangsräumung und Umsiedlung der Bevölkerung in neu errichtete Wohnsiedlungen am Stadtrand an. Danach waren die Sassi lange Zeit verlassen und drohten zu verfallen. Ein Abriss stand zur Diskussion. Doch ab Ende der 1960er-Jahre ließ die Stadt die leeren Höhlenwohnungen aufwändig restaurieren und verlegte Wasser- und Stromleitungen in den Sassi. Zwar kehrte nur ein kleiner Teil der Bevölkerung zurück, aber die touristische Nutzung begann. Es entstanden Ferienwohnungen, Hotels, Cafés, Restaurants, Souvenirläden und Museen und das Leben kehrte in die ehemalige Geisterstadt zurück.

1993 erklärte die UNESCO die Sassi di Matera zum Weltkulturerbe. Der große Hype begann mit der Ernennung zur europäischen Kulturhauptstadt 2019. Die Stadt ist auferstanden wie Phönix aus der Asche und wurde zur Hoffnung für ganz Süditalien. Vom einstigen Elend ist nicht mehr viel zu spüren. Es bleibt zu hoffen, dass die Stadt nicht zu einem touristischen Disneyland verkommt. Das Verhältnis zwischen Einheimischen und Touristen und die explodierenden Preise verheißen nichts Gutes.

Als Filmkulisse hat sich Matera bereits etabliert. Eine Stadt, die wie eine überdimensionale Weihnachtskrippe wirkt und mit ihren Häusern aus Kalktuff an Orte wie Bethlehem oder Jerusalem erinnert, ist der perfekte Schau- und Drehplatz für ein Bibelepos. Während Pasolini «Das 1. Evangelium – Matthäus» noch vor der gespenstischen Szenerie der verlassenen Sassi drehte, sah das bei «König David» mit Richard Gere und «Die Passion Christi» mit Mel Gibson schon anders aus. Zuletzt waren die Sassi Schauplatz des James-Bond-Films «No Time to Die».

Sassi di Matera

Carola ist eine passionierte Teilzeitnomadin, verbindet Vollzeitberuf mit Reiselust. Sie ist der Kopf hinter Travellingcarola.

Seit 2016 schreibt sie authentische Reiseberichte über einzigartige Erlebnisse, gibt praktische Tipps und will andere inspirieren, die Welt zu entdecken.

4 Gedanken zu „Matera: Tipps für einen Aufenthalt in der Stadt der Sassi“

  1. Hallo Carola,
    danke für den interessanten Beitrag. Matera hatte ich so gar nicht auf dem Radar. Zwischen Toskana und Sizilien habe ich einige blinde Flecken. Ich nutze deine Anregung und sammle mal. Irgendwann wird es wieder einmal Zeit für einen Italien Urlaub.
    Liebe Grüsse
    Susan

    Antworten
    • Hallo Susan

      Italien-Urlaub geht doch immer ;-). Ich bin dabei erklärter Fan von Süditalien: Neapel, Sizilien, Apulien oder eben Basilicata. Aus irgendwelchen Gründen finde ich den Süden wesentlich spannender.

      Liebe Grüße
      Carola

      Antworten
  2. Matera und der ganze Süden Italiens sind einfach fantastisch! Ich kenne die Gegend gut, bin ich doch dort aufgewachsen. Dein Artikel weckt Erinnerungen, danke 🙂

    Antworten
    • Liebe Rene

      Interessant, dann hättest du da jede Menge Insiderwissen. Ich mag Süditalien. Danke für dein Feedback.

      Herzliche Grüße
      Carola

      Antworten

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© TRAVELLINGCAROLA

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