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Sarajevo: die acht besten Reisetipps für eine faszinierende Stadt

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Es ist nicht leicht, Sarajevo zu beschreiben. Die Hauptstadt Bosnien und Herzegowinas gilt als Jerusalem Europas, ein Ort, an dem Muslime, orthodoxe Christen, Katholiken und Juden miteinander leben, und als Schmelztiegel der Kulturen. Hier treffen Abendland und Orient aufeinander. International ist Sarajevo vor allem für drei Dinge bekannt: die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand, die olympischen Winterspiele 1984 und die Belagerung im Bosnienkrieg.

Die Lage der Stadt an den Ufern der Miljacka und umgeben von Bergen ist zauberhaft. Ein Meer aus unzähligen kleinen Häusern zieht sich die Hügel hinauf, dazwischen ragen Minarette in die Höhe. Sarajevo sprüht vor Energie und gleichzeitig liegt ein Hauch von Melancholie über allem. Die traurige Geschichte des Krieges wirkt bis heute nach.

Abseits jeglicher Klischees gehört Sarajevo sicherlich zu den meist unterschätzten Städten Europas. Ich kann dir einen Besuch nur wärmstens ans Herz legen und habe hier meine acht Reisetipps oder Empfehlungen für einen Aufenthalt zusammengestellt. Lass dich vom Flair der Stadt verzaubern.

Baščaršija, in die osmanisch geprägte Altstadt eintauchen

Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, ich sei irgendwo in einem türkischen Basar. Die kleinen Gebäude aus hellem Stein haben hölzerne Türen, Fensterrahmen und Fensterläden. Sie beherbergen Juweliere, Kaffeehäuser, Restaurants, Souvenirläden, Konditoreien und Baklava-Shops. In den engen Gassen laufe ich teilweise über uralte Kopfsteinpflaster. Baščaršija ist das Herz der Stadt, der Treffpunkt für Jung und Alt, für Touristen und Einheimische. Eigentlich ist Baščaršija nur der Name des zentralen Platzes im Marktviertel. Meist meint man damit jedoch die gesamte osmanische Altstadt.

Mitten am Baščaršija-Platz steht der Sebilj-Brunnen, ein orientalischer Holzbrunnen aus dem 18. Jahrhundert. Einst versorgte er Reisende und Pilger mit frischem Wasser. Kostenloses Wasser für alle gibt es auch heute noch. Es heißt, wer von dem Brunnen trinkt, wird irgendwann zurückkehren. Nachdem der Brunnen ein beliebtes Fotomotiv ist, ist hier zu fast jeder Tages- und Nachtzeit viel los. Nicht nur Menschen bevölkern den Platz. Die riesige Anzahl Tauben brachten ihm den Namen Taubenplatz ein.

Wie in einem Basar üblich, gab es in Baščaršija früher für jedes Handwerk oder Gewerbe eigene Straßenzüge. Heute ist die Gasse der Kupferschmiede (Kazandžiluk) die einzige, die in ihrer ursprünglichen Funktion erhalten geblieben ist. Hergestellt und verkauft werden Teller, Tabletts, Schüsseln und Kannen. Aus Patronenhülsen und anderen Relikten des Kriegs entstehen Kugelschreiber, Schlüsselanhänger, Vasen und Spielzeug. Ich bleibe vernünftig und widerstehe der Versuchung, ein typisch bosnisches Kaffeeservice zu kaufen.

Mehr als 400 Jahre herrschten die Osmanen in der Region und verbreiteten ihre Kultur und Religion. Das hat Spuren hinterlassen. Die Gazi-Husrev-Beg-Moschee ist die größte und eine der ältesten Moscheen Bosnien und Herzegowinas. Die Kuppelmoschee, der Hof mit dem Brunnen, das Grabmal von Gazi Husrev Beg oder die gegenüberliegende Mendrisa sind einen Abstecher wert. Gleich daneben befinden sich der Uhrturm und der Gazi Husrev-Beg’s Bezistan, ein gedeckter Basar. Dieser ist ganz nett anzusehen, zu kaufen gibt es leider nur Ramsch und falsche Gucci-Taschen.

Fast direkt vor dem Bazar kennzeichnet eine Markierung im Boden «Sarajevo Meeting of Cultures» den Übergang von Ost nach West. Auch ohne diese Botschaft ist der Unterschied zwischen dem osmanischen Stadtviertel im Osten und dem durch Österreich-Ungarn geprägten Teil der Stadt nicht zu übersehen. Ein Schritt und du hast das Gefühl, in einer anderen Stadt zu sein. So anders wirken Architektur und Kultur.

Für mein Wochenende in der Stadt habe ich das Hotel Sana gewählt. Die Lage ist perfekt – einmal über die Straße und man ist mitten in der osmanischen Altstadt. Die Einrichtung ist modern und geschmackvoll, das Personal aufmerksam und das Frühstück lässt keine Wünsche offen.

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Auf den Spuren der österreichisch-ungarischen Monarchie wandeln

Gleich nach der Markierung «Meeting of Cultures» beginnt die Ferhadija-Straße, eine Einkaufszone westlicher Prägung. Hier könnte man meinen, in Wien, Ljubljana, Zagreb oder Budapest zu sein. Die Gebäude im Stil des Historismus haben die typischen Fassadendetails mit horizontalen Putzstreifen und Farben, wie man sie aus eben diesen Städten kennt. Nach der Okkupation von 1878 hat die Österreichisch-Ungarische Monarchie Bosnien ihren Stempel aufgedrückt. Zwei dominierende Bauwerke in diesem Teil der Stadt sind die römisch-katholische Herz-Jesu-Kathedrale und die Markthalle.

Lange Zeit war die Lateinerbrücke nicht mehr als eine hübsch anzusehende osmanische Steinbogenbrücke über die Miljacka. Traurige Berühmtheit erlangte sie durch die Ermordung des österreichisch-ungarischen Kronprinzen Franz Ferdinand und dessen Frau Sophie am 28. Juni 1914. An dieser Stelle feuerte Gavrilo Princip die Schüsse aus nächster Nähe ab. Die Ereignisse führten letztendlich zum Ersten Weltkrieg, der rund 17 Millionen Menschen das Leben kostete. An der Kreuzung, an der das Attentat stattfand, befindet sich heute das Muzej Sarajevo 1878–1918, das die Geschehnisse in einer kleinen Ausstellung aufarbeitet. Der Ort ist nicht zu verfehlen. Davor steht ein Nachbau des Autos, mit dem Franz-Ferdinand und Sophie unterwegs waren. Das Fahrzeug ist eine Touristenattraktion und kann für Stadtrundfahrten gebucht werden.

Gleich daneben liegt das Rathaus, Vijećnica. 1898 im pseudo-maurischen Stil erbaut, 1992 von serbischen Truppen vollständig zerstört und 2014 nach umfassender Restaurierung wieder eröffnet, ist es eines der schönsten Gebäude der Stadt. Das Rathaus erstrahlt zwar wieder im neuen alten Glanz, mehr als zwei Millionen Bücher und Dokumente der Nationalbibliothek sind durch die Brände infolge der Bombenangriffe jedoch unwiederbringlich zerstört.

Kaffee trinken und in einer Buregdžinica bosnische Pita probieren

Kaffee ist in Bosnien mehr als ein Getränk, er ist Lebenselixier und Lebensart. Für diesen Genuss nimmt man sich gerne Zeit. Die bosnische Kaffeekultur stellt eine soziale Institution dar. Das Kaffeetrinken wird zu jeder Tageszeit zelebriert. Coffee to go, Pappbecher und Starbucks haben hier keine Chance. Ich hoffe inständig, dass das künftig so bleiben wird.

Kaffeetrinken ist ein Ritual

Neben den typisch italienischen Kaffeespezialitäten hat der bosnische Kaffee immer noch seinen Stellenwert. Er wird durch Aufgießen von Wasser auf fein gemahlenes Kaffeepulver zubereitet und ist das Pendant zu Mokka, Kafé Ellinikós oder türkischem Kaffee. Serviert wird bosnischer Kaffee auf einem Kupfertablett. Darauf befinden sich eine kleine Kupferkanne mit Griff, ein Behälter für Süßigkeiten (z.B. Lokum) und Zucker sowie eine Tasse. Die traditionelle Art diesen Kaffee zu trinken, sieht folgendermaßen aus: Du tauchst einen Zuckerwürfel in den heißen Mokka, knabberst daran und nimmst abwechselnd einen kleinen Schluck.

Cafés und Coffeeshops gibt es wie Sand am Meer, sprichwörtlich an jeder Ecke. Dort treffen sich die Einwohner aller Altersgruppen und Ethnien. Bosnischen Kaffee in wunderschöner Atmosphäre trinkst du im Caffe Divan im Morića Han. Der Innenhof der einzigen größeren erhaltene Herberge aus der osmanischen Zeit ist auch ohne Kaffee einen Besuch wert. Richtig guten Kaffee oder Tee mit Aussicht bekommst du in einer der schönsten Ecken der Altstadt, der Kovači-Straße, im Ministry of Ćejf. Von der Terrasse aus hast du einen wunderbaren Blick auf den Baščaršija-Platz.

Angeblich gibt es in der Stadt die besten Ćevapčići. Das kann ich weder bestätigen noch widerlegen, weil ich das bosnische Nationalgericht nicht probiert habe. Glaubt man jedoch den Empfehlungen soll es besonders gute im Cevapcici Grill Petica Ferhatovic geben.

Ich selbst habe mich vorzugsweise an die bosnische Pita (in den meisten Ländern als Burek bezeichnet) gehalten. Der Strudel aus Jufka-Teig ist ein beliebter Imbiss und trägt je nach Füllung andere Namen. Zeljanica (Spinat und Feta), Sirnica (Käsefüllung) und Pita Krompiruša (Kartoffel) sind die vegetarischen oder veganen Varianten, die es fast überall gibt. Mit etwas Glück findest du Pita mit Kürbis oder Kraut. In Bosnien verwendet man den Name Burek übrigens ausschließlich für die mit Hackfleisch gefüllte Pita. Pita wird mit einem Joghurt-Dip serviert.

Ich habe in der Buregdžinica Bosna und im Sač gegessen und war jedes Mal begeistert. Burek zählt allerdings auch zu meinen Lieblingsgerichten.

Aussicht auf die Stadt genießen

Die Hauptstadt ist durch ihre Lage prädestiniert dafür, von oben betrachtet zu werden. Einen der besten Ausblicke – besonders bei gutem Wetter und zum Sonnenuntergang – hast du von der Gelben Bastion (Žuta tabija). Von der ehemaligen osmanischen Festung ist zwar nicht mehr viel übrig, aber man kommt ja wegen der Aussicht. Zu erreichen ist die Gelbe Bastion zu Fuß in etwa zehn Minuten direkt vom Baščaršija-Platz aus durch die Kovači-Straße.

Auf dem Weg zur Gelben Bastion kommst du am Kovači-Friedhof vorbei. Er ist einer von vielen Friedhöfen, die über die ganze Stadt verteilt sind. Es ist ein Meer aus weißen Grabsteinen. Die Sterbejahre auf den Grabsteinen? Sie liegen alle zwischen 1992 und 1995.

Von der Gelben Bastion ist es nochmals eine knappe Viertelstunde bis zur Weißen Bastion. Im Gegensatz zur Žuta tabija stehen hier noch einige Überreste der Festung. Der Ausblick ist ähnlich, sodass du den Weg nicht zwingend auf dich nehmen musst. Neben den beiden Aussichtspunkten liegt dir am Trebević im Süden der Stadt ebenfalls zu Füßen.

Im Zentrum kann ich dir das Hotel Hecco Deluxe am westlichen Ende der Ferhadija gleich bei der Ewigen Flamme, einer Gedenkstätte für die Opfer des Zweiten Weltkriegs, empfehlen. Von der Terrasse im 9. Stock hast du eine gute Rundumsicht. Höher hinaus geht es im Avaz Twist Tower. Im Bürohochhaus beim Bahnhof lässt sich vom Café in der 35. Etage und der darüber liegenden Aussichtsplattform (BAM 2.-) der Ausblick genießen.

Über die Olympia-Bobbahn am Trebević spazieren

1984 war Sarajevo Austragungsort der Olympischen Spiele. Noch heute ist man stolz auf dieses Wintermärchen. Ich selbst kann mich noch gut an das Maskottchen Vučko und seinen Sarajevooooo-Ruf erinnern. Und ich erinnere mich noch daran, dass unser Musiklehrer – wenig pädagogisch – einzelne Schülerinnen und Schüler herausgepickt hat und sie vor dem Rest der Klasse diesen Ruf nachahmen ließ. Ich weiß, dass Katharina Witt Gold im Eiskunstlauf gewonnen hat und Jens Weißflog und Matti Nykänen die Skispringen dominierten. Abseits der olympischen Bewerbe habe ich nicht viel von der Stadt wahrgenommen.

Die olympische Bob- und Rodelbahn ist heute eine Ruine. Während des Krieges diente sie als Artillerieposten. Die Einschusslöcher sind stille Zeugen der Feuergefechte. Das, was vom Eiskanal übrig geblieben ist, ist mit Graffitis übersät. Als «Lost Place» ist die Bobbahn Anziehungspunkt für Fotografinnen und Fotografen. Es ist möglich, ein gutes Stück durch die Betonrinne zu wandern. Den Trebević erreichst du unter anderem mit der Seilbahn. Er ist ebenso Programmpunkt in vielen geführten Touren.

In der Nähe des Zielbereichs gibt es weitere Ruinen zu bewundern, die eines ehemaligen Hotels und eine Sternwarte. Am Fuße des Trebević liegt außerdem der jüdische Friedhof. Die ältesten Gräber stammen aus dem frühen 17. Jahrhundert, wobei viele im Krieg zerstört wurden. Die Stadt hat übrigens nach Prag den zweitgrößten jüdische Friedhof in Europa.

Die Spuren des Kriegs nicht ignorieren

Man kann nicht nach Sarajevo reisen, ohne mit dem Bosnien-Krieg und der Belagerung der Stadt konfrontiert zu werden. Es sind nicht nur die vielen Friedhöfe auf den Hügeln der Stadt, mehr als 25 Jahre nach Kriegsende sind die Einschusslöcher der Granaten und Gewehre in den Fassaden der Häuser noch sichtbar. Die psychischen Folgen und Kriegstraumata begleiten alle, die unter der Belagerung gelitten haben, ein Leben lang.

Die Belagerung der Stadt begann am 6. April 1992 und endete offiziell am 29. Februar 1996. Dazwischen lagen 1425 Tage, in der die Stadt von der Außenwelt abgeschnitten war und von der Armee der bosnischen Serben sowie Einheiten der verbliebenen jugoslawischen Bundesarmee beschossen wurde. Es handelt sich um die längste Belagerung einer Stadt im 20. Jahrhundert.

Während dieser Zeit schlugen täglich durchschnittlich 329 Granaten in der Stadt ein. Fast 11’000 Menschen verloren in dieser Zeit ihr Leben, davon mehr als 1’500 Kinder. Neben unzähligen Verletzten gelten viele bis heute als vermisst. Das Leben spielte sich in den Kellern ab. In notdürftig angefertigten Öfen verheizte man alles, was in den kalten bosnischen Wintern irgendwie Wärme spenden konnte. Jeder Gang durch die Stadt war lebensgefährlich.

Von 1992 bis 1994 kam es immer wieder zu Anschlägen auf Zivilisten. Menschen starben, während sie auf die Verteilung von Brot oder Wasser warteten (Pijaca Markale und Vase-Miskina-Straße). Derartig grausame Attentate führten schließlich zum Einschreiten der NATO. Die Granateneinschläge haben auf dem Asphalt ihre Spuren hinterlassen. Um daran zu erinnern, dass an diesen Stellen Menschen starben, haben die Bewohner die Krater mit rotem Harz gefüllt. Form und Farbe dieser Mahnmale erinnern an Blumen, weshalb sie als «Rosen von Sarajevo» bezeichnet werden. Wenn du aufmerksam bist, wirst du auf deinen Spaziergängen durch die Stadt immer wieder auf solche Rosen treffen.

Angriffe auf Zivilisten und ethnische Säuberungen

Die Hauptverkehrsader, die Zmaja od Bosne und der Meša Selimović Boulevard, erlangten im Krieg ebenfalls traurige Berühmtheit. Als «Sniper Alley» gingen sie in die Geschichte ein. Von den umliegenden Hügeln wurde wahllos auf Zivilisten geschossen, die den Angreifern hilflos ausgeliefert waren. Teilweise fanden die Menschen etwas Schutz hinter den gepanzerten Fahrzeugen der UNO, behelfsmäßigen Bretterverschlägen oder abgestellten Straßenbahngarnituren.

Eine strategisch wichtige Funktion während der Belagerung hatte der Flughafen. Er befand sich zwischen der Stadt und unbesetztem Gebiet. Mit dem Beginn der internationalen Luftbrücke übernahm die UNPROFOR die Kontrolle über den Flughafen. Ein Abkommen mit den Serben stellte sicher, dass er nur für die Zwecke der Vereinten genutzt werden durfte. Dadurch verlor Sarajevo einen wichtigen Versorgungsweg und den Zugang zu den von der bosnischen Armee gehaltenen Regionen. Wer über die Start- oder Landebahn flüchten wollte, wurde von Scharfschützen ins Visier genommen.

Im Frühjahr 1993 begann das bosnische Militär mit den Arbeiten an einem Tunnel, der unter dem Flughafengelände hindurchführen sollte. Es entstand eine 800 Meter lange, ein Meter breite und 150 Zentimeter hohe unterirdische Verbindung. Auf diese Weise konnten Nahrungsmittel, militärische Güter und vor allem Soldaten in die Stadt kommen. Anfangs transportierten die Männer alles auf dem Rücken, später wurden Schienen verlegt und es gab kleine Transportwagen. Zum Teil nutzen bis zu 4’000 Menschen täglich den Tunnel. Sie mussten oftmals durch knietiefes Wasser waten. Die Wassereinbrüche stellten ein enormes Problem dar.

Im Sarajevo Tunnel Museum kannst du einen etwa 25 Meter langen Abschnitt des Tunnels durchqueren. Daneben zeigt das Museum Fotos, Videos und diverse Exponate aus der belagerten Stadt und dem Tunnel. Auf der Website des Museums findest du zudem ausführliche Informationen in Form von Texten und Bildern.

Wenn du längere Zeit in Bosnien und Herzegowina verbringst, solltest du einen Besuch in der Potocari-Gedenkstätte in Srebrenica in Betracht ziehen – auch wenn es nicht leicht zu verkraften ist. Zusammen mit Sarajevo ist Srebenica Synonym für die schlimmsten Kriegsverbrechen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Juli 1995 ermordeten bosnisch-serbische Milizen 8’000 muslimische Männer und Jungen und vergewaltigten systematisch Frauen. Das alles wurde im Vorfeld bis ins kleinste Detail vorbereitet. Die Vereinten Nationen klassifizierten das Massaker von Srebrenica letztendlich als Genozid. Seit Juli 2021 gibt es in Bosnien und Herzegowina ein Gesetz, das die Leugnung dieses Völkermordes unter Strafe stellt.

Tatsächlich gibt es immer noch Politiker, die die Kriegsverbrechen leugnen, verharmlosen oder relativieren. Jedes Volk, seien es Bosniaken, Serben oder Kroaten, hat seine eigene historische Wahrheit. Alle sehen sich in der Opferrolle, nehmen andere Persönlichkeiten als Verbrecher oder Helden wahr. So unterschiedlich kann Geschichtsdeutung sein! Eine Aufarbeitung der Vergangenheit findet insbesondere in Serbien, wo die eigenen Kriegsverbrechen einfach totgeschwiegen werden, kaum statt.

Erkundungen nicht nur auf eigene Faust

Normalerweise gehöre ich zu denjenigen, die eine Stadt gerne individuell entdecken. Anstelle des Sightseeing-Busses bevorzuge ich öffentliche Verkehrsmittel oder ziehe zu Fuß los. Statt durchorganisierte Ausflüge zu buchen, nehme ich mir die Zeit, die ich brauche. Hier würde ich allen Besucherinnen und Besuchern jedoch zwei Touren ans Herz legen: «Sarajevo under the Siege» und eine Free Walking Tour.

Auf diese Art und Weise lernst du die Stadt, ihre Menschen und ihre Geschichte besser zu verstehen. Ohne diese fachkundige Begleitung hätte ich alles nicht so intensiv wahrgenommen. Der Besuch im Tunnel Museum bekommt gespickt durch die Erzählungen eines Mannes, der selbst mehrere hundert Male den Tunnel passiert hat, eine ganz andere Bedeutung. Viele Tourguides haben selbst im Krieg gekämpft, haben Angehörige verloren oder berichten aus der Perspektive eines Einheimischen. Vielleicht ist es eine Form der Vergangenheitsbewältigung, diese Geschichten immer wieder an Fremde weiterzugeben. Es sind Dinge, die nicht in den Geschichtsbüchern stehen, teils gewürzt mit einer ordentlichen Portion Humor.

Es gibt verschiedene Anbieter, die alle mehr oder weniger die gleichen Touren im Repertoire haben. Die Guides sind allesamt engagiert, ausgesprochen freundlich und um das Wohl der Gäste besorgt.

Vielfalt erleben und verstehen

Sarajevo war über Jahrhunderte hinweg ein Schmelztiegel der Kulturen, ein Ort, an dem verschiedene Religionsgemeinschaften friedlich zusammenlebten. Während im christlichen Andalusien Juden und Muslime vertrieben wurden, war man im Osmanischen Reich wesentlich toleranter. Muslime hatten zwar besondere Privilegien, aber es wurde nicht erwartet, dass alle konvertieren. Was jahrhundertelang funktionierte, wollten die Habsburger nach der Eroberung nicht zerstören. Die Vielfalt blieb erhalten.

Erinnerungen an den Krieg und Multikulti-Stadt

Sie äußert sich im Stadtbild durch Minarette und Kirchen unterschiedlicher Epochen und Baustile. Mischehen waren lange Zeit eher die Regel als die Ausnahme. Niemand kümmerte sich darum. Ob jemand Alkohol trank, Schweinefleisch aß oder Kopftuch trug, war Privatsache. Toleranz und die verschiedenen Ethnien und Religionen, das war es, was Bosnien und Herzegowina ausgemacht hat. Und obwohl Sarajevo heute wieder als hippe Multikulti-Stadt gilt, hat der Krieg vieles davon nachhaltig zerstört. Plötzlich sind nationale oder religiöse Identitäten wichtig. Insofern bedauere ich, dass ich die Stadt nicht schon viel früher besucht habe.

Aktuelle Situation

Die Hauptstadt Bosnien und Herzegowinas hat heute rund ein Viertel weniger Einwohner als vor dem Krieg. Nicht nur ganze Jahrgänge sind verschwunden, die Serben, die vor dem Krieg etwa ein Drittel der Bevölkerung ausgemacht hatten, sind abgewandert. Der Anteil der muslimischen Bosniaken, liegt heute bei etwa 80 Prozent.

Zurzeit gibt es Befürchtungen, dass der liberale Islam durch konservative Strömungen verdrängt wird. Der türkische Staat beziehungsweise Erdogan versucht Einfluss zu nehmen. So wurden unter anderem Lehrer mit Verbindungen zur Gülen-Bewegung entlassen. Saudis errichten Moscheen, exklusive Shopping-Center, Hotels und ganze Wohngebiete für reiche Araber, die hier gerne die Sommermonate verbringen. Zusätzlich hat Bosnien Herzegowina eine der höchsten Arbeitslosenquoten weltweit. Junge Menschen haben kaum Perspektiven. Das Dayton-Abkommen von 1995 brachte zwar Frieden, schuf aber eines der kompliziertesten politischen Systeme weltweit. Ein aufgeblähter Verwaltungsapparat und Korruption tragen ihr Übriges zur schwierigen Situation des Landes bei. Der Weg in die EU scheint weit.

Filmfestival

In den letzten Jahren hat sich das Sarajevo Film Festival zu einem bedeutenden und international anerkannten Ereignis gemausert. Seit 2003 widmet sich das Filmfestival ausschließlich Independet-Filmen aus Südosteuropa. Jedes Jahr im August lockt es nationale und internationale Prominenz an, unter ihnen Angelina Jolie, Bono Vox, Robert de Niro oder Tim Wenders.

Allen Widrigkeiten zum Trotz strotzt Sarajevo vor Lebensfreude. Die Stadt hat eine Energie, die nur schwer zu beschreiben ist. Mich zieht sie mit ihren gastfreundlichen Menschen, ihrem Flair und ihrer Authentizität von der ersten Sekunde an in den Bann. Es stört mich nicht einmal, dass ich zwei Tage lang schlechtes Wetter habe – auf dem Trebević fällt im Oktober der erste Schnee. Und noch bevor ich die Rückreise antrete, weiß ich, dass ich wiederkommen werde!

Kovaci-Straße Sarajevo
Sarajevo – 8 Reisetipps

Carola ist eine passionierte Teilzeitnomadin, verbindet Vollzeitberuf mit Reiselust. Sie ist der Kopf hinter Travellingcarola.

Seit 2016 schreibt sie authentische Reiseberichte über einzigartige Erlebnisse, gibt praktische Tipps und will andere inspirieren, die Welt zu entdecken.

5 Gedanken zu „Sarajevo: die acht besten Reisetipps für eine faszinierende Stadt“

  1. Superspannend, liebe Carola! Südosteuropa ist bei mir bisher definitiv zu kurz gekommen. Es wird Zeit, dass sich das ändert. Vielen Dank für den tollen Artikel, der definitiv Lust auf die Stadt macht!
    Liebe Grüße
    Elke

    Antworten
    • Das kenne ich, liebe Elke. Ich habe Ost- und Südosteuropa bisher ebenfalls sträflich vernachlässigt. Umso größer war die Überraschung.

      Lieber Gruß
      Carola

      Antworten
  2. Hach, das macht wirklich Lust auf Sarajevo! Hast du wirklich nur ein Wochenende dort verbracht? Es liest sich, als sei es viel länger gewesen 🙂

    VIele Grüße
    Jenny

    Antworten
    • Liebe Jenny

      Ja, wenn ich so zurückblicke, habe ich den Eindruck länger dort gewesen zu sein. Ich habe wirklich viel erlebt und gesehen. Allerdings ist die Stadt von der Größe her überschaubar.

      Viele Grüße
      Carola

      Antworten

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