Die Republik Armenien, ist für viele noch ein blinder Fleck auf der touristischen Landkarte. Ich muss selbst auch zugeben, dass ich nicht allzu viel über dieses Land im Kaukasus wusste. Es sind eher die traurigen geschichtlichen Ereignisse wie der Völkermord an den Armeniern im ersten Weltkrieg, ein Genozid, der bis heute von der Türkei geleugnet wird, oder der Konflikt mit Aserbaidschan um die autonome Region Bergkarabach, die mir zu diesem Land einfallen.
Sowohl geografisch als auch kulturell liegt Armenien zwischen Europa und Asien und gilt als Wiege des Christentums. Auch die Sprache Armenisch ist eine der ältesten Sprachen der Welt. Das kleine Hochgebirgsland am Fuße des sagenumwobenen Ararat kann mit imposanten Naturschönheiten und nahezu unzähligen Kirchen und Klöstern aufwarten. Hinzu kommen eine ausgezeichnete Küche sowie guter Wein. Und die Armenier sind liebenswerte Menschen.
Aus den geplanten sieben Tagen in Armenien werden leider nur sechs, weil ich wegen der Flughafensperre am 28.07.2018 in München meinen Anschlussflug verpasse und erst einen Tag später in in der armenischen Hauptstadt Jerewan lande. Zu dem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, dass ich die gesamte Reise durch Armenien ohne Gepäck und somit auch ohne Wanderausrüstung bestreiten und jede Menge Ärger mit Lufthansa haben werde.
Meine Route durch und Wanderungen in Armenien
Jerewan
Die wenigen Flüge aus Europa landen in Jerewan nachts oder am frühen Morgen. Auf der Fahrt ins Hotel erlebe ich die Stadt sehr dunkel. Ich vertraue einfach meinem armenischen Taxifahrer, der durch wenig einladende Viertel rast. Dafür habe ich nach dem Aufstehen aus dem Hotelzimmer einen wunderbaren Blick auf die Kaskade von Jerewan.
Mir bleibt ein halber Tag, um ein bisschen etwas von der großzügig angelegten Stadt mit ihren breiten Boulevards, den riesigen Plätzen und den typischen Bauwerken aus hellem Tuffstein und grauem Basalt zu erkunden.
Bei der Kaskade von Jerewan handelt es sich um einen gewaltigen Treppenkomplex aus hellem Travertinstein, der sich über 572 Stufen den Berg hochstreckt. Geplant wurde das Bauwerk schon in Sowjetzeiten, als Museum für zeitgenössische Kunst fertiggestellt wurde es erst 2009. Von dort aus nehme ich den direkten Weg über den Freiheitsplatz zum Platz der Republik, wo abends unter Begleitung klassischer Musik imposante Wasserspiele stattfinden. Schließlich reicht es noch für einen kurzen Besuch im historischen Museum. Ganz viele Armenier sind abends unterwegs, gehen essen, etwas trinken oder flanieren einfach durch die Straßen.
Gerne wäre ich noch länger in der Stadt geblieben, hätte die Ararat-Brandy-Manufaktur, die blaue Moschee oder eine der vielen Parkanlagen besucht.
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Garni Tempel und Kloster Geghard
Von Jerwan aus bietet sich ein Abstecher in den Südosten von Armenien an. Im ersten Jahrhundert nach Christus entstand im kleinen Dorf Garni ein Tempel im griechisch-römischen Stil. Der Tempel ist ein beliebtes Ausflugsziel für Armenier. Unterhalb des Tempels, in der Garni Schlucht, kann man eine nahezu flache etwa 9 Kilomter lange Wanderung unternehmen. Dabei passiert man bis zu 300 Meter hohe Basaltsäulen. Die Wanderung ist nicht schwer, aber es ist brütend heiß.
Am Oberlauf des Azat liegt wunderschön das Felsenkloster Geghard. Es wurde aus einer Felswand herausgeschlagen und mit filigranen Steinmetzarbeiten verziert. Das Höhlenkloster ist einer der brühmtesten Wallfahrtsorte in Armenien und seit 2000 auf der Liste der UNESCO Weltkulturerben.
Auf dem Weg nach Goris
Die Kleinstadt in der armenischen Provinz Syunik liegt etwa 250 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Die Grenzen zu Aserbaidschan und zu Iran sind nicht mehr weit. Auf den Weg in den Südosten des Landes passiert man mit Chor Wirab und Noravank zwei weitere der armenischen Klöster. Chor Wirab ist vor allem bekannt, weil man von dort aus den besten Blick auf den Berg Ararat, der auf türkischem Staatsgebiet liegt, hat. Bei meinem Besuch ist das Wetter leider nicht klar, ich kann den schneebedeckten Gipfel nur erahnen. Besonders malerisch gelegen und für mich das schönste der besuchten Klöster in Armenien ist Noravank, das majestätisch über einer Schlucht thront.
Ebenfalls einen Abstecher wert ist das Gräberfeld Zorakarer oder Karhunj bei Sissian. Sieben Hektar, 30 Kammergräber, 150 Megalithe und über 70 weitere Felsbrocken in unterschiedlichen Formationen sind nur einige der Superlative. In etlichen Steinen befinden sich kreisrunde Löcher. Eine Hypothese ist, dass diese Löcher dem Transport der Steine dienten. Andere behaupten wiederum, dass es sich bei Zorakarer um ein Observatorium handelte. Eine Ähnlichkeit mit Stonehenge ist nicht von der Hand zu weisen. Auf alle Fälle erlebe ich Karahunj als einen sehr mystischen Ort im Abendlicht.
Wings of Tatev und Kloster Tatev im Süden von Armenien
Eine weitere sehenswerte Klosteranlage im Land ist Tatev. Die Legende besagt, dass der Architekt nicht von der von ihm errichteten Kuppel heruntersteigen konnte. Daraufhin rief er «Togh astvats indz ta-tev», was so viel bedeutet wie Gott, gib mir Flügel. Deshalb lautet der Name der Seilbahn, die zum Kloster führt auch Wings of Tatev. Die 2010 eröffnete Doppelmayr/Garaventa-Bahn ist selbst für höhen- und Seilbahnerprobte Schweizer und Österreicher ein Highlight. Sie führt mit einer Länge von 5750 Metern teilweise 500 Meter über der Worotan-Schlucht schwebend zum Kloster. Damit handelt es sich zurzeit auch um die längste Pendelseilbahn der Welt. Interessant sind auch die Kabinenbegleiterinnen mit ihren Uniformen. Die Bahn erspart heute die lange Anreise über die enge und kurvenreiche Straße.
Die Seilbahn wurde ihm Rahmen eines Programms errichtet, mit dem der Tourismus im Südosten Armeniens gefördert werden soll. Überwiegend kommen armensiche Besucher. Die Einnahmen der Seilbahn fließen außerdem in die Renovierung des Klosters. Im Dorf Tatev fühlt man sich in vergangene Zeiten zurückversetzt. Die Menschen leben fast ausschließlich von der Landwirtschaft. Von Tatev aus kann man eine mittelschwere Rundwanderung unternehmen und hat vom höchsten Punkt aus eine wunderbare Aussicht auf die Tiefebene im Nordwesten. In Armenien sind Wanderwege bisher allerdings gar nicht oder kaum ausgeschildert.
Die Besichtigung des im 9. Jahrhundert erbauten Klosters sollte man sich ebenfalls nicht entgehen lassen. Es war ein wichtiges intellektuelles Zentrum Armeniens, und im 14. und 15. Jh. auch eine anerkannte Universität.
Ughtasar-See
Der See und die umliegenden Berge sind für mich das Highlight in Armenien schlechthin. Schon die Anreise ist ein kleines Abenteuer: Uralte russische Uas-Militär-Allradjeeps bringen uns auf knapp 3000 Meter Höhe. Die Fenster lassen sich nur teilweise öffnen, ein kleiner Ventilator mit Placebo-Effekt soll ein wenig Kühlung verschaffen. Während der Motor laut aufheult, überwinden die Fahrzeuge Steigungen, die man ihnen gar nicht mehr zutrauen würde und tasten sich dabei gefährlich nah an Abgründe heran. Unsere armenischen Fahrer haben sichtlich Spaß daran, sind aber immer sicher unterwegs.
Oben angekommen entschädigen üppig grüne Bergwiesen, ein kleiner Gletschersee und die Petroglyphen (Steinzeichnungen aus der Zeit des 5. bis 2. Jahrtausends vor Christus). Kurze Wanderungen führen auf die umliegenden Gipfel mit wunderbaren Ausblicken. Einer der Bergrücken hat mit seinen bunten Farben sogar etwas Ähnlichkeit mit dem Rainbowmountain in Peru.
Burg Smabateberd
In der Nähe der Stadt Yegegnadzor, genauer gesagt bei Artabuynk, thront wie ein Adlerhorst hoch am Berg die Ruine der Burg Smabateberd und zeugt von der reichen Geschichte Armeniens. Der Straße und einem Fahrweg entlang wandernd erreicht man die auf 1925 Meter gelegene Festung. Die erhaltenen Mauern, Rundtürme und Tore zeugen noch heute davon, wie schwer die Festung wohl einst einzunehmen war. Die Legende besagt, dass die Seldschuken im 11. Jahrhundert ein durstiges Pferd an die Festung führten und so eine unterirdische Wasserleitung zum zwei Kilometer entferneten Kloster Tsaghats Kar entdeckten. Von der Burg aus hat man eine wunderbare Aussicht ins Umland.
Sewansee, der größte See in Armenien
Leider ist wie an vielen Orten in der Welt ist das ökologische Gleichgewicht gestört.Der Sewansee mit seinem türkisgrünen Wasser ist eine ganz besondere Abwechslung zu der ansonsten kargen armenischen Landschaft und für viele Armenier eine beliebte Ferienregion. Ein bisschen erinnert mich die Atmosphäre an den Issyk-Kul, das kirgisische Meer. Der Sewansee, der größte Süßwassersee in Armenien und im Kaukasus, liegt auf 1900 Meter Höhe und ist etwa doppelt so groß wie der Bodensee. Die Badesaison ist demnach relativ kurz. Wobei ich nicht sicher bin, ob das Baden hier überhaupt empfehlenswert ist.
Die Ausweitung der landwirtschaftlichen Flächen in Armenien und die damit einhergehende extensive Bewässerung ließen den Wasserpegel sinken. Seit den 1980er Jahren versucht man dem entgegenzuwirken, was zur Folge hat, dass die Ufer heute versumpfen. Außerdem ist der See stark überfischt. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung der Republik Armenien das Problem in den Griff bekommt.
Kirche von Odzun, Kloster Haghpat und ein riesiger Canyon
Wenn man von Dilijan am Nordufer des Sewansees Richtung georgischer Grenze fährt, passiert man die trostlose ehemalige Industriestadt Wanadsor. Etwas weiter nördlich kann man in Odzun eine der am filligransten gearbeiteten Basiliken Armeniens besichtigen. Der dortige Canyon erinnert fast ein wenig an den Creux du Van. Die Wanderung entlang des Canyons eröffent wunderbare Ausblicke. Über einen alten, anfangs sehr steilen, Pilgerpfad steigt man dann hinunter zur Kirchenruine Kobair. Bevor wir zu Fuß die Grenze nach Georgien passieren, besichtigen wir noch das Kloster Haghpat in Alawerdi.
Meine Eindrücke von Armenien
Armenien ist nicht durchgehend schön und zurzeit mit Sicherheit kein Land für den Hochglanz-Ferienprospekt. Ich habe in Armenien trostlose Städte mit Industrieruinen gesehen, ebenso heruntergekommene Dörfer, in denen die Straßen nicht asphaltiert sind. Armenier haben andere Probleme als Umweltschutz oder das Zurechtmachen ihrer Häuser und Vorgärten. Armenien ist ein armes Land. Zwar ist das Angebot in den Supermärkten beachtlich, die Wenigsten können sich das aber leisten.
Auf der anderen Seite habe ich in Armenien eine gewisse Aufbruchstimmung gespürt. Man kann den Tourismus verteufeln, in Armenien stellen die wenigen Besucher eine wichtige Einnahmequelle für die einheimische Bevölkerung dar, insbesondere da fast alles noch direkt vermarktet wird. Ich habe in Armenien ausnahmslos gut und gesund gegessen und getrunken. Die Armenier sind zwar eher zurückhaltend, aber ausgesprochen (gast)freundlich und hilfsbereit.
Jerewan bleibt mir als pulsierende Metropole mit einem modernen Stadtzentrum in Erinnerung, die nachts zum Leben erwacht. Und dann waren da die imposanten Naturschönheiten Armeniens und eindrücklichen Klöster und Kirchen.
Gewohnt habe ich sowohl in Viersternhotels mit westlichem Standard als auch in ganz einfachen und etwas gewöhnungsbedürftigen Unterkünften. Insgesamt hätte ich einen so hohen Standard in der Hotelerie in Armenien nicht erwartet.
Leider ist die Verständigung nicht ganz einfach, wenn man die Sprache nicht beherrscht. Viele Armenier sprechen noch Russisch, mit Englisch kommt man nicht besonders weit.
Mir ist noch nicht ganz klar warum, aber alles in allem hat mich Armenien etwas mehr berührt, als das wesentlich touristischere und besser entwickelte Georgien, das ich in der Folgewoche noch bereiste.
Carola ist eine passionierte Teilzeitnomadin, verbindet Vollzeitberuf mit Reiselust. Sie ist der Kopf hinter Travellingcarola.
Seit 2016 schreibt sie authentische Reiseberichte über einzigartige Erlebnisse, gibt praktische Tipps und will andere inspirieren, die Welt zu entdecken.
Hi Carola,
interessante Route und tolle Einblicke in dein Armenienabenteuer! Ich bin gespannt, was du über Georgien berichtest.
Liebe Grüße,
Jan (https://www.thehiketribe.com)
Hallo Jan
Meine Georgien-Berichte werden sich hauptsächlich auf Tbilisi beschränken. Zwar waren wir noch in Kazbegi und Gudauri, das Wetter hat uns da aber einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht. Das berühmte Swanetien stand leider nicht auf der Liste, aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Danke für deinen Kommentar. Ich finde es immer wieder spannend, auf diese Weise neue tolle Reise- und Wanderblogs kennenzulernen.
Liebe Grüße
Carola
Hallo Carola,
vielleicht hat Dich das Land aufgrund seiner langen und teilweise schicksalsschweren Geschichte bewegt, vielleicht weil Du gesehen hast, wie die Menschen kämpfen, vielleicht auch deshalb, weil Du eine der wenigen Besucher(innen) dort warst. Man kann Orte (Länder) besser spüren, wenn man den Raum zum Denken und die sprichwörtliche „Luft zum Atmen“ hat… 🙂
Liebe Grüße
Kasia
Liebe Kasia
Das kann durchaus sein. Allerdings war es in Georgien aufgrund der Tatsache, dass die Menschen Englisch reden, wesentlich einfacher in Kontakt zu kommen und von bewegenden Einzelschicksalen zu erfahren. Aber die Weite und das Alleinsein ohne andere Reisegruppen gibt tatsächlich Raum zum Denken und Luft zum Atmen. Ich kann mir vorstellen, dass es in Swanetien noch ähnlich ist, aber rund um Kazbegi und Gudauri ist in Georgien eben doch ziemlich viel los.
Liebe Grüße und weiterhin so viele tolle Abenteuer
Carola
Dankeschön. Dir auch alles Gute, reise und entdecke und genieße es!