Pfingstrosen blühen zu Pfingsten. Deshalb haben sie ihren Namen bekommen. Dieses Jahr trifft das nach einem kalten und verregneten April und Mai sogar zu. Ansonsten hält sich die Natur selten an einen Kalender. Und während andere über die Feiertage im Stau stehen, bleibe ich in der Heimat und stürze mich in ein Blütenmeer. Ich will die Blütenpracht im Seleger Moor bewundern. Die wenigen Sonnenstunden in diesem Frühjahr wollen gut genutzt sein. Nach meinen Kirschblütenwanderungen im April wandle ich nun auf den Spuren von Pfingstrosen, Rhododendren und Azaleen.
Das Rifferswiler oder Seleger Moor
Die Schweiz kann mit einer Reihe von Hochmooren aufwarten: Rothenthurm, Etang de la Gruère, das Hochmoor Salwiden bei Sörenberg in der Biosphäre Entlebuch oder das Langis am Glaubenberg in Obwalden mit seinem Wollgras, um nur einige zu nennen. Direkt hinter der Bergkette des Albis, wenige Kilometer von Zürich und Zug entfernt in Rifferswil, würde man vielleicht nicht direkt ein Hochmoor erwarten, schon gar nicht ein so blühendes wie das Seleger Moor.
Dort, wo vor Jahrtausenden Reuss- und Linthgletscher zusammenstießen und Moränen die Landschaft formten, entstand das Rifferswiler Moor. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wurde dort noch Torf gestochen und als Brennmaterial genutzt. In den 1950er-Jahren entdeckte der Adliswiler Robert Seleger, dass die Bodenbeschaffenheit im und um das Moor sich bestens für Rhododendren eignete. Er erstand ein Stück Land und pflanzte die ersten Sträucher.
Leider fielen die meisten dieser Rhododendren einem extrem kalten Winter zum Opfer. Für Robert Seleger begann damit die weltweite Suche nach winterharten Pflanzen, die er mit anderen Züchtungen kreuzte. Es entstanden einzigartige farbenfrohe Sorten und Kreuzungen, die dem Schweizer Winter standhielten. Robert Seleger baute den Garten kontinuierlich aus. Er schuf im Rifferswiler Moor eine traumhafte Landschaft mit Teichen und Bächen und machte sie für Besucher zugänglich. Heute befindet sich im Park Seleger Moor das größte Rhododendron- und Azaleenparadies der Schweiz. Mehr als 200 Sorten blühen hier auf 120’000 m2 um die Wette und locken jährlich über 40’000 Besucherinnen und Besucher an.
Besuch im Park Seleger Moor
Die beste Zeit für einen Besuch
Wenngleich der Besuch im Park zu jeder Jahreszeit ein Erlebnis ist, solltest du dir die Blütenpracht im Frühling nicht entgehen lassen. Je nach Witterung beginnt die Blütezeit bereits im April und zieht sich bis in den Juni hinein. Dieses Jahr blühen die zahlreichen Rododendren und Azaleen erste Ende Mai. Hinzu kommen pünktlich zu Pfingsten die Strauchpfingstrosen. Es ist ein Fest für die Sinne, ein Farbenmeer mit betörenden Düften. Jede Blüte ist ein Unikat und auf ihre Art und Weise wunderschön.
Die Website gibt neben allen wichtigen Informationen zu Anreise, Ticketpreisen, Entstehung, Wegen und Einrichtungen Hinweise zum aktuellen Blütenstand im Park. So lautet eine Empfehlung, den Park nicht nur bei Schönwetter und vor allem während der Woche zu besuchen.
Einmal quer durch den Park
Ein drei Kilometer langer Spazierweg (rollstuhlgängig und kinderwagentauglich) führt durch den Park. Daneben laden zahlreiche verschlungene mit Hackschnitzel ausgelegte Wege zu Entdeckungen abseits der großen Pfade ein. Speziell für Kinder ist das spannend. Du kannst dem Parkplan und den Wegweisern folgen oder dich einfach treiben lassen. Unweigerlich wirst du die wichtigsten Punkte im Park, die großen Tore beim Eingang, die Seerosenteiche mit den japanisch anmutenden Brücken oder den Farngarten passieren.
Der größte Farngarten der Schweiz mit seinen Mini- und Baumfarnen in den unterschiedlichsten Farben und Formen ist nach der Blütezeit eine echte Attraktion. Aktuell rollen die Trichterfarne ihre neuen Wedel aus. Wenn im Sommer die Seerosen in weiß, gelb, rosa und rot blühen, müssen die Teiche eine wahre Augenweide sein. Unzählige exotische Bäume entlang der Themenwege, Bärlauchfelder oder riesige Stauden Mammutblätter fügen sich perfekt in die Landschaft ein. Nicht umsonst ist der Park immer wieder Schauplatz für Konzerte, Kunst und Kultur.
Wo so viele Pflanzen und Blüten sind, sind die Tiere nicht weit. Wildbienen und Hummeln schwirren um die Blüten. In einem großen Wildbienenhotel finden viele von ihnen Unterschlupf. In den Teichen und Wasserläufen quaken die Frösche. Ihr Konzert ist nicht zu überhören. Wenn du genau schaust, wirst du sie auf den Seerosenblättern entdecken, wo sie sich sonnen und auf Libellen und andere Insekten lauern. Dieses Quaken ergänzen die vielen zwitschernden Singvögel im Park.
Und so legt man vor Begeisterung schnell ein paar Kilometer zurück. Zum Glück gibt es überall Bänke, um sich ein wenig auszuruhen, die Atmosphäre zu genießen oder die Pflanzen zu bestaunen. Wenn du durstig oder hungrig wirst, kannst du das Parkbeizli besuchen. Tische und Sitzgelegenheiten rund um das Beizli gibt es in ausreichender Anzahl, teilweise sind sie sehr idyllisch gelegen. Selbstversorgern steht im Park ein Picknickplatz mit Feuerstelle zur Verfügung. Kinder sind im Moorlihaus und im Feenwald bestens unterhalten und aufgehoben.
Gleich beim Eingang gibt es Pflanzen, die in den Baumschulquartieren des Parks gezogen wurden, zu kaufen. Das Angebot reicht von kleinen Sukkulenten über Farne, Päonien bis hin zu Rhododendronsorten und Azaleen in allen Farben, Qualitäten, Größen und natürlich Preisklassen. Alleine schon die Übersichtstafel mit allen Züchtungen lässt mich staunen. Unglaublich, wie viele Sorten es gibt. Für die riesigen Solitärrhododendren und baumförmigen Pflanzen muss man schon mal ein paar Tausend Franken hinblättern. Da solltest du schon einen grünen Daumen haben. Falls du den nicht hast, gibt es immer noch die Möglichkeit ein anderes handwerkliches oder kulinarisches Souvenir zu erstehen.
Informationen und Tipps
Mit Umwegen, Pausen, Fotografieren, einem Besuch im Park Beizli und dem Stöbern bei den Verkaufspflanzen verbringen wir gut drei Stunden im Park. Dabei bin ich keine Pflanzen- oder Blumenkennerin. Zum Glück informieren Schautafeln über alle wissenswerten Fakten. Und selbst ich kann mich der Faszination des Parks im Moor nicht entziehen. In dieser blühende Oase wähne ich mich für kurze Zeit in einer völlig anderen Welt. Was Natur und Mensch hier geschaffen haben, sucht zumindest in der Schweiz seinesgleichen.
Der einmalige Eintritt ist mit CHF 17.- (2021 bei Online-Kauf) nicht ganz billig. Dafür ist die Saisonkarte für CHF 45.- ein wahres Schnäppchen. Man muss bedenken, dass sich der Park überwiegend aus den Einnahmen aus Eintritt und Pflanzenverkauf finanziert. Einschränkungen bei der Besucherzahl aufgrund von Corona oder Sturmschäden, wie sie immer wieder vorkommen, können da ein großes Loch in die Kasse reißen. Bei jedem Schritt kann man erahnen, wie viel Arbeit Gärtner und Landschaftsgärtner in die Gestaltung und den Erhalt dieses Parks stecken müssen.
Wenn du den Parkbesuch oder diesen Ausflugstipp mit einer kleinen Wanderung kombinieren möchtest, bietet sich zum Beispiel die Umrundung des manchmal mystisch anmutenden Türlersees ins Säuliamt an. Oder du bleibst beim Moor und wanderst durch die Moorlandschaft bei Maschwanden, dort wo Reuss und Lorze zusammenfließen.
Carola ist eine passionierte Teilzeitnomadin, verbindet Vollzeitberuf mit Reiselust. Sie ist der Kopf hinter Travellingcarola.
Seit 2016 schreibt sie authentische Reiseberichte über einzigartige Erlebnisse, gibt praktische Tipps und will andere inspirieren, die Welt zu entdecken.