Manchmal muss man einfach raus aus dem Alltag und rein in die Natur. Was eignet sich da besser als eines der abgelegensten Hotels der Schweiz? Das Grimsel Hospiz liegt tief verschneit auf fast 2000 Meter Höhe an der Grenze zwischen Berner Oberland und Wallis. Abgeschnitten von der Außenwelt kannst hier in absoluter Ruhe sowohl die Natur als auch den Komfort eines Viersterne-Hotels mit Stil und behaglicher Atmosphäre genießen. Das ist Entschleunigung pur, und die beginnt bereits mit der abenteuerlichen Anreise.
Die abenteuerliche Anreise
Zwei Wochen vor meinem Aufenthalt flattert eine E-Mail mit Angaben zu Treffpunkt und Uhrzeit in mein Postfach. Die Anreise zum Hospiz erfolgt in Gruppen zu im Voraus kommunizierten Zeiten. Als ich mein Auto am Parkplatz der Kraftwerke Oberhasli AG (KWO) in Innertkirchen parke, denke ich an meine letzte Fahrt über den Grimselpass. Im Juni 2020, auf dem Weg nach Grimentz, wurde ich auf der Passhöhe vom Schnee überrascht. Jetzt im Februar ist die Grimselstraße gesperrt. Wie kommt man da ins Hotel?
Im Besucherzentrum des Kraftwerks erklärt uns einer der Besucherführer, der uns auf dem Weg begleiten wird, an einem Relief unsere Reiseroute sowie die Lage der einzelnen Kraftwerke und Seilbahnen in der Region. Wir haben Glück: Bis vor Kurzem war die An- und Abreise überhaupt nicht möglich. Wegen Neuschneemassen und mehrerer Lawinenabgänge war die Straße nach Guttannen einige Tage gesperrt. Jetzt ist sie wieder frei und das Postauto (Postbus), das uns von Innertkirchen bis zur Handeck bringt, steht pünktlich bereit.
Die Anreise ist ein Abenteuer!Normalerweise steigt man in Handeck um auf die Seilbahn zur Gerstenegg. Weil es heute ziemlich stürmisch ist, kann diese Seilbahn nicht verkehren. Zum Glück ist für solche Fälle vorgesorgt und es gibt unterirdische Alternativen. Wobei sich unterirdisch nur auf die Lage und nicht auf den Komfort bezieht. Für uns geht es nun also in den Untergrund. Die Strecke bis zum Kraftwerk Grimsel 2 legen wir im Stollenlabyrinth mit Kleinbussen zurück. Bevor es losgeht, haben wir Zeit und Möglichkeit, eine kleine Kristallausstellung zu besuchen. Die ist zwar nicht so spektakulär wie die Kristallkluft, gibt aber einen kleinen Einblick in die Schätze, die hier im Berg eingeschlossen sind und beim Kraftwerksbau entdeckt wurden.
Einsam ist es in den Tunneln nicht. Überall sind Arbeiter und Fahrzeuge der KWO unterwegs. Man sagt ja gerne, dass die Schweizer Berge durchlöchert sind wie ein Schweizer Käse. Vor allem gibt es neben Straßen- und Eisenbahntunneln eine ganze Reihe «Löcher», die entweder militärisch oder so wie hier als Zugangsstollen für ein Kraftwerk genutzt werden. Außerdem treffen wir auf Fahrzeuge der nagra, der nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle. Die nagra betreibt im Inneren des Berges seit 1984 ein Felslabor für Forschungsprojekte.
Am Sommerloch sehen wir erstmals wieder Tageslicht. Hier heißt es Umsteigen auf die Hospizbahn, die uns die letzten Höhenmeter hinauf auf den Grimselnollen bringt. Im Sommer 2020 wurde die nostalgische Werkbahn durch eine moderne Anlage ersetzt. Eindrücklich thront die Staumauer des Grimselsees vor uns, während wir gemütlich hochgondeln. Aktuell wird an der Ersatzstaumauer Spitallamm gebaut, weil die alte Staumauer stark sanierungsbedürftig ist. Sollte die Hospizbahn wegen der Windverhältnisse ausnahmsweise nicht fahren, müssen die Gäste durch den ehemaligen Wassertunnel stapfen und betreten das Hotel durch den Keller.
Wir erreichen das Hotel oberirdisch, auf einem schmalen Pfad zwischen meterhohen Schneewänden. Eine Stunde und 15 Minuten waren wir unterwegs. Das ist schon beachtlich, wenn man bedeckt, dass man die Strecke im Sommer mit dem Auto in einer knappen halben Stunde zurücklegt. Wenn die An- und Abreise wie üblich mit der Seilbahn erfolgt, dauert sie noch ein wenig länger. Denn selbst in der vermeintlich großen Kabine der Gerstenegg-Bahn dürfen nur acht Personen befördert werden. Ich habe das Glück bei der Rückfahrt diese zweite Variante kennenzulernen. In luftiger Höhe schweben wir über unberührte Schneelandschaften. Dabei kann ich sogar die zugeschneite Trasse der Gelmerbahn ausmachen.
Für die An- und Abreise ins Hotel im Winter empfehle ich dir gutes Schuhwerk und angemessene Kleidung. Trolley oder Schalenkoffer bleiben besser zu Hause. Idealerweise bist du mit einem Rucksack oder einen kleinen Tasche unterwegs.
Das Hotel Grimsel Hospiz
Geschichte
Schon zu Beginn des 12. Jahrhunderts stand unterhalb der Passhöhe das erste urkundlich erwähnte Gasthaus der Schweiz. Säumer, unterwegs zwischen Italien und der Schweiz, fanden im «Spittel» einen Unterschlupf. Später, mit dem Bau des Stausees, war diese Herberge wortwörtlich dem Untergang geweiht. 1928 wurde das neue Hospiz gebaut und sorgte später als erstes elektrisch beheizbares Haus Europas für Aufmerksamkeit. In dieser unverwechselbaren Gestalt, mit seinem wuchtigen Treppengiebel, der Fassade aus Stein und den roten Fensterläden trotzt es heute nach wie vor Wind und Wetter in dieser unwirtlichen Region.
Zuletzt erfolgte zwischen 2008 und 2010 eine umfassende Renovierung des denkmalgeschützten Gebäudes. Seither wird das Hotel mit der Abwärme aus der Stromproduktion des nahen Kraftwerks geheizt – und das nicht zu wenig. Das Grimsel Hospiz gehört übrigens zu den Swiss Historic Hotels, ebenso wie das Kurhotel Bergün oder das Atrium-Hotel Blume in Baden. Hinter den dicken Mauern verbirgt sich heute eine ganze Portion Luxus. Der Zürcher Architekt Andrin Schweizer zeichnet verantwortlich für die gelungene Kombination von alten und neuen Elementen.
Nach dem Umbau wurde entschieden, das Hotel in den Wintermonaten geöffnet zu lassen. Trotz anfänglicher Skepsis hat das Konzept der Winter-Ruheoase schnell Anhänger gefunden. Die Zimmer sind während der kalten Jahreszeit gut gebucht. Das hat viel mit dem stimmigen Konzept zu tun. Das Hotel gehört zur Kraftwerke Oberhasli AG (KWO) und wird unter der Marke Grimselwelt touristisch vermarktet.
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Räumlichkeiten
In Anbetracht der abgeschiedenen Lage muss man hier oben am Pass auf (fast) nichts verzichten. Die Rezeptionistin heißt uns herzlich willkommen und erläutert alles, war wir zu unserem Aufenthalt wissen müssen. Mein Zimmer liegt im dritten Stock des Haupthauses. Das Farbkonzept ist sehr angenehm, auch der Stil gefällt mir. Ich fühle mich auf Anhieb wohl.
Der Arven- und der Turmsaal präsentieren sich nahezu originalgetreu im Erscheinungsbild der 1930er-Jahre. Im Arvensaal knistert ein Kaminfeuer und du kannst es dir in den gemütlichen Sofas und Polstersesseln bequem machen. Das Restaurant, einen Stock tiefer, zeugt ebenfalls von der Geschichte des Hauses.
Mein Lieblingsort im Hotel ist der moderne Salon Aaretal. Wie der Name schon sagt, hat man von hier aus einen herrlichen Rundumblick auf das Aaretal, den Stausee und die schneebedeckte Landschaft. Mir gefallen der dunkle Eichenboden, die gemütliche Sofalandschaft und das Panoramafenster, durch das ich den Schneeflocken beim Tanzen zusehe. Im Salon Aaretal befindet sich zudem die Minibar des Hotels. Auf eine solche wird in den Zimmern verzichtet, ebenso auf einen Früchtekorb – eine löbliche Idee, um Foodwaste zu vermeiden. Natürlich kannst du auf Wunsch etwas an der Rezeption bestellen.
Für das leibliche Wohl ist gesorgt
An einem Ort, an dem es sonst kaum fixe Programmpunkte gibt, ist der Tagesablauf zumindest kulinarisch gut getaktet. Das Frühstück im Arvensaal kannst du von acht bis elf Uhr genießen, was sehr großzügig ist. Das Angebot umfasst Lachs, Wurst, Eierspeisen, regionalen Käse, Rohkost, Früchte, Yoghurt, Cerealien und eine gute Auswahl an Brot. Die Molki Meiringen liefert eine breite Palette an Milchprodukten. Ich hoffe, dass diese nur aufgrund der Covid-Maßnahmen alle einzeln abgepackt sind.
Nachmittags lockt nochmals das Kuchenbuffet in den Arvensaal – ein Fixpunkt im Tagesablauf. Die Zeit vergeht schnell, wenn man auf das Essen wartet. Die Kuchen sind fast in mundgerechte Stücke geschnitten. So kannst du dich durch das gesamte Angebot kosten. Leider ist heute kein Haslikuchen im Angebot. Auch die wunderschöne Candy-Bar vermisse ich. Ich weiß allerdings nicht, ob sie Covid-19 zum Opfer gefallen ist oder überhaupt nicht mehr zur Verfügung steht.
Ehe man sich versieht, ist es Zeit für das Abendessen. Auf die Hotelgäste wartet dann ein Vier- bis Sechsgang-Genussmenü. Dabei hast du die Wahl zwischen Fleisch oder Fisch. Vegetarische oder vegane Alternativen sind kein Problem. Die Küche ist wirklich ausgezeichnet. Auf der Karte findest du Kreationen wie Ziegenfrischkäsemousse im Baumkuchenmantel mit mariniertem Fenchel, Preiselbeer-Gel, Fenchel-Chutney, Zitronen-Thymian Sorbet und Olivenstaub. Mein persönliches Highlight ist die Steinpilzsamtsuppe mit Maroni, Schalotten-Confit und Peperoni-Öl.
Die Weinkarte kann sich ebenfalls sehen lassen und das Personal ist ausgesprochen aufmerksam. Jeder Gang wird zum richtigen Zeitpunkt serviert, selbst wenn man eine kleine Pause einlegen möchte. Dazu gibt es jeweils die perfekte Erklärung, was da auf dem Teller komponiert wurde. Während wir das Abendessen genießen herrschen draußen Minustemperaturen und ein dichtes Schneegestöber. An Fotografieren ist heute wohl nicht mehr zu denken.
Ruheoase und die wenigen Aktivitäten im Winter
Hier oben bist du mitten in einem Naturschutzgebiet, im Winter zudem eingeschneit. Große Sprünge kann man hier nicht machen. Es gibt keine Lifte und Pisten und es ist nicht erlaubt irgendwelchen Wintersportaktivitäten nachzugehen oder die markierten Weg zu verlassen. Ski und andere Sportausrüstungen werden grundsätzlich nicht mit der Seilbahn transportiert. Die einzige Möglichkeit zur Bewegung ist der Winterwanderweg. Wobei die Bezeichnung Wanderweg nicht ganz einlöst, was sie verspricht.
Der Rundweg um das Hotel ist gerade einmal 400 Meter lang. Das ist nicht viel, dennoch musst du etwa 30 Meter Auf- und Abstieg bewältigen. Der erste Anstieg hat es je nach Schneeverhältnissen in sich. Damit das möglichst kräfteschonend erfolgt, stehen Hotelgästen warme Stiefel und Schneeschuhe kostenlos zur Verfügung. Das Sprichwort «In der Kürze liegt die Würze» trifft durchaus auf diesen Rundweg zu. Er ist erstaunlich vielfältig. Auf dem Wanderweg passiert man den höchsten Punkt des Spitelnollens mit der Wetterstation und die winzige Hospizkapelle. Alleine schon wegen der unvergleichlichen Aussicht über das Hotel und den Stausee lohnt sich der Weg. Und man kann ihn gut mehrmals wandern.
Ansonsten ist in der Winter-Ruheoase Grimsel Hospiz vor allem gepflegtes Nichtstun und Abhängen angesagt. Am besten schnappst du dir ein Buch und machst es dir entweder im Arvensaal oder im Salon Aaretal gemütlich. Im Haus macht man übrigens aus der Not eine Tugend und bietet die Zimmer, die tief eingeschneit sind und über kein Tageslicht verfügen, als Kinozimmer an. Netflixen bis zum Abwinken. Wobei ich persönlich die grandiose Bergwelt, Stille, Weite und Abgeschiedenheit dieses Ortes lieber anders genießen würde. Wie es aussieht, haben auch einige in Zeiten von Corona ihr Homeoffice auf 2000 Meter Höhe verlegt.
Ruehoase und süßes NichtstunEine derartige Ruheoase benötigt auch eine Wellnessoase. Die gibt es in Form einer Fass-Sauna und eines Hotpots auf der Terrasse. Und so sieht man in regelmäßigen Abständen die Gäste in Bademäntel gehüllt durch den Schnee nach draußen stapfen. Das ist Luxus pur. Was gibt es Schöneres, als bei Minusgraden im heißen, sprudelnden Wasser zu sitzen, während der Schnee von oben kommt?
Das Besucherzentrum der KWO informiert über den Kraftwerksbetrieb. Unter normalen Umständen könnte man jeweils mittwochs, samstags und sonntags an Kraftwerksführungen teilnehmen. Aufgrund der aktuellen Covid-Maßnahmen finden diese zurzeit nicht statt.
Mein Fazit zum Aufenthalt
Der Ausflug in diese Ruheoase steht seit einigen Jahren auf meiner Wunschliste. Ich bin fast versucht zu sagen, dass er dank Corona endlich wahr geworden ist. Alleine die Anreise war den Besuch wert. Das Hotel konnte mich überzeugen, vor allem das kulinarische Angebot.
Anfangs hatte ich etwas Bedenken, ob mir in dieser Ruheoase nicht langweilig wird. Genau das Gegenteil war der Fall. Letztendlich war der Aufenthalt viel zu kurz und ich hätte locker noch ein paar Tage bleiben können. Die Zeit vergeht wie im Fluge. Mit Sauna, Hotpot, Winterwanderung, Essen und Fotografieren war ich sozusagen ausgelastet. Fotomotive findest du jede Menge hier oben: den Grimselsee, das Bergpanorama, die Hospizkapelle, das Hotel von vorne, von hinten und von oben, die historischen Räumlichkeiten und mit etwas Glück sogar den Sternenhimmel.
Schade fand ich, dass die Zeitslots für Sauna und Hotpot mit 15 beziehungsweise 20 Minuten sehr kurz bemessen sind. Vermutlich ist das der Covid-Situation geschuldet. Doch so kann leider nicht wirklich Entspannung aufkommen. Der An- und Abtransport der Gäste ist eine logistische Meisterleistung. Da ist es zwar verständlich, aber auch etwas unbequem, wenn man das Zimmer um elf Uhr freigeben muss. Anders hätte ich mir einen zweiten Saunagang gegönnt.
Das Gastgeberpaar und alle anderen Angestellten sind ehrlich um das Wohlergehen der Gäste bemüht und immer präsent. Für mich ist es sicherlich nicht das letzte Mal, dass ich mir so eine Auszeit in der winterlichen Ruheoase gönne. Dann bleibe ich aber länger, sodass der Abstand vom Alltag größer wird und ich den hier oben eigenen Rhythmus und die erträgliche Langsamkeit des Seins übernehmen kann. Denn völlige Ruhe und Entspannung konnte in den etwas weniger als 24 Stunden nicht einkehren.
Carola ist eine passionierte Teilzeitnomadin, verbindet Vollzeitberuf mit Reiselust. Sie ist der Kopf hinter Travellingcarola.
Seit 2016 schreibt sie authentische Reiseberichte über einzigartige Erlebnisse, gibt praktische Tipps und will andere inspirieren, die Welt zu entdecken.
Hallo,
sehr spannender Beitrag über ein Ziel abseits der normalen Pfade. Ich werde mir das Hospiz als mögliches Reiseziel merken.
Liebe Grüße
Thomas
Hallo Thomas, wie passend. Reisen und Essen lassen sich an diesem wunderschönen Ort perfekt kombinieren.
Liebe Grüße Carola
Liebe Carola,
Ich bin erstmal wegen der wunderschönen Bilder hängen geblieben, aber als ich dann deine Anreise miterleben durfte – puh! Was für ein Erlebnis. Und das Hospiz ist auf alle Fälle eine Reise wert, für alle die ein richtiges Hideaway suchen. Ich muss aber wieder auf die Bilder zurückkommen, so fotogen, ich würde wohl die meiste Zeit hinter der Linse verbringen. Danke für diese schöne Gedanken-Reise.
LG Melanie
Liebe Melanie
Ja, die Gefahr, die Welt da oben nur durch die Linse zu betrachten, besteht tatsächlich. Danke fürs Vorbeischauen und deinen Kommentar. Ich freue mich riesig, dass ich dadurch deinen Blog kennenlernen durfte. Das Salzkammergut ist einfach nur wunderschön!
Viele Grüße von einer gebürtigen Oberösterreicherin
Carola