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Der Gringo und die 7 Länder Lateinamerikas

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Meine erste Nacht als frischer Backpacker hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Vom einen auf den anderen Moment fiel meine Euphorie in die tiefst vorstellbare Etage. Völlig ausgebremst lag ich auf einer Flughafenbank und versuchte zu schlafen. Vor ungefähr acht Stunden hob das Flugzeug ohne mich nach San Antonio, Texas, ab. Grund dafür war, dass ich zwar ein gültiges Visum hatte, dieses aber für meinen alten abgelaufenen Reisepass registriert war. Somit wartete ich am Amsterdamer Flughafen Schiphol darauf, dass mein neues Visum für die USA akzeptiert wird.

Jannik Hundsdörfer

Anlässlich der Veröffentlichung seines Buches durfte ich Jannik ein paar Fragen stellen. Lerne den «Gringo» etwas besser kennen und lass dich mitnehmen auf eine Reise durch Lateinamerika. Vielleicht bekommst du dabei Lust, das ganze Buch zu lesen.

Jannik vor der Laguna de Cuicocha, Ecuador

Interview mit Jannik Hundsdörfer, dem Autor des Buches «Der Gringo und die 7 Länder Lateinamerikas»

Hallo Yannik, danke, dass du dich bereit erklärt hast, mir Rede und Antwort zu stehen.

Magst du dich bei meinen Leserinnen und Lesern kurz vorstellen und etwas über die Beweggründe für deine Reise erzählen?

Mein Name ist Jannik Hundsdörfer, ich bin 22 Jahre alt und studiere Sportwissenschaften in Köln. So wie du mit deinem Reiseblog möchte ich mit meinem Buch andere inspirieren, die Welt zu entdecken. Angefangen hat alles im Sommer 2017, als ich ein Auslandsjahr auf einer Highschool in San Antonio, Texas, verbringen durfte. Die Stadt liegt nur zwei Stunden von der Grenze zu Mexiko entfernt. Fast alle meine Freunde in San Antonio hatten mexikanische Wurzeln. Ich habe es geliebt, diese neue Kultur kennenzulernen. Das Wetter, die Musik, das Essen, die Gastfreundschaft, einfach alles war anders und hat mich in den Bann gezogen.

Für mich war klar: Eines Tages möchte ich das richtige Mexiko sehen. So kam es, dass ich im September 2022 meine langersehnte Reise auf unbestimmte Zeit nach Lateinamerika begann. Nach einem Wiedersehen mit meiner ehemaligen Gastfamilie und Freunden in San Antonio betrat ich endlich Mexiko!

Mexiko gilt nicht unbedingt als das sicherste Reiseland. Was haben denn deine Eltern und Freunde zu deinen Plänen gesagt?

Es stimmt, das Leben in Lateinamerika ist anders und die Kriminalitätsrate ist tendenziell höher als in Deutschland. Doch wenn man auf sich und seine Umgebung achtet, es nicht auf Konfrontation anlegt und den Menschen freundlich begegnet, passiert im Normalfall nichts Schlimmes. Weil ich bereits mit 16 fast ein Jahr lang in einem anderen Land gelebt habe, ist mein Umfeld relativ abgehärtet, was meine Abenteuerlust betrifft.

Trotzdem wurde ich im Vorhinein des Öfteren als verrückt erklärt und musste sämtliche stereotype Nickligkeiten über mich ergehen lassen. Mein Papa ist vor Sorge fast umgekommen. Das lag daran, dass ich meine kaum existierenden, teils wirren Pläne nur schwer vortragen konnte. «Geh nicht so tief in die Slums, Junge», ermahnte er mich besorgt am Küchentisch wenige Tage vor meiner Abreise.

Wie ging es dann nach Mexiko weiter und was war dein schönstes Erlebnis? 

Mein einziger Anhaltspunkt war Heiligabend, also ungefähr drei Monate nach meinem Abflug aus Deutschland. Über Weihnachten und Silvester wollte ich bei Miguels Familie in Quito, der Hauptstadt Ecuadors, sein. So wie ich, hatte Miguel 2017 ein Auslandsjahr in den USA gemacht. Wir hatten uns auf einer Reise für Austauschschüler:innen in Kalifornien kennengelernt.

Auf der Landkarte sahen die Länder Lateinamerikas so einfach zu erreichen und nah beisammen aus. Doch ich merkte schnell, dass ich die Distanzen komplett unterschätzt hatte. Nachdem ich also durch Belize getrampt war und in Guatemala etwas Spanisch gelernt hatte, fand ich mich wieder (abermals mit Problemen) im Flugzeug. Gerne hätte ich auf einen weiteren Flug verzichtet, doch ich wollte noch unbedingt Kolumbien sehen, bevor ich nach zwei kompletten Tagen Busfahrt pünktlich am 23.12. in Quito ankam. Ich verbrachte zwei unfassbar großartige Wochen bei Miguel und bekam die authentischsten Einblicke in das Leben und die Kultur einer ecuadorianischen Familie.

Nach etwas Surfen an der Küste Ecuadors ging die Reise weiter in die Anden von Nordperu. Da die politische Lage im Süden Perus nicht nur angespannt, sondern mit mehreren Todesfällen, Flughafenschließungen und Straßenblockaden eskaliert war, verwarf ich meine Pläne den Machu Picchu und danach Bolivien zu bereisen. Stattdessen fuhr ich drei Tage lang mit einem Boot über den Amazonas in die Dschungelstadt Iquitos und flog in das letzte Reiseland zum Karneval nach Brasilien. Dort verbrachte ich knappe zwei Monate an den herrlichsten Stränden und war einen Tag in Argentinien, um die wunderschönen Iguazú-Wasserfälle zu bestaunen.

In sieben Monaten erlebt man natürlich extrem viele schöne Dinge. Da ist es gar nicht so leicht, ein Erlebnis hervorzuheben. Auf der einen Seite haben mich tolle Menschen, mit denen ich mich gut verstanden habe, sehr glücklich gemacht. Dann war die Umgebung auch weniger wichtig. Auf der anderen Seite blieben mir die unzähligen Naturwunder im Kopf. Das fängt an mit einer Schnorcheltour im Belize Barrier Reef, geht über die Ruinenstätte Chichen-Itza, eine Übernachtung im einzigartigen Tayrona-Nationalpark in Kolumbien und die einwöchige Regenwaldexpedition in Peru, bis hin zum Vulkanaufstieg in Guatemala.

Tatsächlich hat mich diese Tour am meisten fasziniert. Wir waren eine harmonische Gruppe und konnten mehrere Vulkanausbrüche live miterleben. Diese Naturgewalt – das war einfach surreal. Wie in Zeitlupe stieg die Lava empor und nahm immer mehr und mehr vom Himmel ein. Wirklich Wahnsinn!

Wow, das klingt ja alles richtig traumhaft! Hattest du überhaupt schlechte Erlebnisse oder dich mal unwohl gefühlt?

Na klar. Wenn man so lange unterwegs ist, kommt man um ein kleineres oder größeres Tief nicht herum. Das ist ganz normal und gehört zum Leben dazu. Ich erinnere mich noch gut daran, als ich zum ersten Mal auf der Reise krank wurde. Das war Anfang Januar in Ecuador kurz nachdem ich Miguels Familie verlassen hatte. Alles war super: Schöner Ort mit Strand und Surfbrettern, nettes Hostel, gute Partys und plötzlich haute es mich um.

Körperlich ging es mir nicht extrem schlecht, aber psychisch hat mich das total fertiggemacht. Das Leben um mich herum ging weiter und ich fand alles zum Kotzen. Ich hatte Heimweh, gar kein Bock mehr und war richtig mies gelaunt. Um das komplette Programm mit Lebensmittelvergiftung, Parasitenbefall und Antibiotika kam ich leider auch nicht herum, aber das ist eine andere Story.

Es gab auch ein paar wenige Situationen, in denen ich mich unwohl gefühlt habe. Es wäre utopisch zu glauben, dass einem alle Menschen freundlich begegnen und positiv gesonnen sind. So versuchte eine Frau in Guatemala, meinen einzigen und geliebten Pulli zu stehlen oder ein kolumbianischer, selbst ernannter «Drogenboss» mir das Geld mit überteuerten Bierpreisen aus der Tasche zu ziehen.
Das sind keine schönen Ereignisse und man muss aufpassen, dass solche nervigen Angelegenheiten nicht die insgesamt gute Zeit überschatten. Alles in allem bin ich körperlich unversehrt geblieben, das zählt.

So viele neue Eindrücke und Erfahrungen prägen einen bestimmt ganz schön. Was nimmst du mit und was hast du aus dieser ereignisreichen Zeit gelernt?

Das ist absolut richtig. Diese Zeit mit ihren schönen und schwierigen Momenten möchte ich auf gar keinen Fall missen! Auch wenn ich vor Abflug nicht der Meinung war, dass ich diese Reise mache, um mich zu finden oder kennenzulernen, bin ich natürlich an mir gewachsen. Manchmal war ich von mir selbst überrascht, was ich alles bewältigen kann. Hin und wieder, vor allem als alleinreisende Person, musst du für dein Wohl oder Recht einstehen und dich behaupten.

Ich habe noch intensiver gelernt, mir selbst zu vertrauen und habe viele Schwierigkeiten bewältigt. Dadurch bin ich für viele meiner Freunde schon zu gelassen und entspannt geworden. Am Ende finden die Dinge ihren Weg, wie sie laufen sollen. Und noch mal: Solange die körperliche Unversehrtheit gegeben ist, ist der Rest halb so schlimm und reparabel.

Im deutschen Alltagsstress geraten diese Erfahrungen und Werte trotzdem schnell in den Hintergrund und ich versuche so oft es geht, Energie und Lebensfreude aus dieser Zeit zu schöpfen. Es war kolossal zu sehen, unter welchen Umständen, Lebensvoraussetzungen und Gegebenheiten Menschen glücklich und zufrieden sein können. Es gibt so viele verschiedenste funktionierende Lebensweisen und Kulturen. Die Welt ist wahnsinnig vielfältig und die Möglichkeiten, Probleme zu lösen oder den Tag zu leben, sind weitaus größer als es uns manchmal bewusst ist. Nur weil uns etwas seltsam vorkommt, entscheidet es nicht über richtig oder falsch. Menschen leben unterschiedlich und Kulturen sind vielfältig. Ein alleiniger richtiger Weg, dieses Leben zu leben, existiert nicht.

Würdest du etwas anders machen, wenn du die Reise als Gringo durch die 7 Länder Lateinamerikas noch einmal machen könntest?

Grundsätzlich hat sich bei mir dieser US-typische Spruch «Everything happens for a reason» eingeprägt. Deswegen bin ich überzeugt, dass die Reise genau so richtig war, wie sie passiert ist. Ich habe dadurch wertvolle Momente erlebt, tolle Freunde gefunden und wichtige Lehren daraus ziehen konnte. Doch gerade gegen Ende meiner Reise hat mir eine gewisse Stabilität des sozialen Umfelds gefehlt. Eine Brasilianerin hat es ganz passend formuliert: «Obwohl du nicht alleine bist, kannst du dich trotzdem einsam fühlen». Das sind manchmal die Schattenseiten des Alleinreisens.

Für mich wurde es nach sieben Monaten ermüdend, ständig neue Leute kennenzulernen, die danach schnell wieder aus meinem Leben verschwunden sind. Ich hätte mir im Nachhinein gewünscht (was ich irgendwann auch machen werde), in einer Stadt für mehrere Wochen zu bleiben, für Kost und Logis oder als Volunteer zu arbeiten, mir ein soziales Umfeld aufzubauen und Menschen wirklich kennenzulernen.  Zwischendurch ein bisschen Tempo rauszunehmen, langsamer zu reisen, weniger zu sehen, aber dafür mehr an einem Ort leben, hätte mir gutgetan.

Die Busfahrten wurden nämlich echt ätzend. Ansonsten hatte ich mir bei den Flügen gewünscht, ausschließlich mit Handgepäck zu reisen. Ich war beim Backpacking in Südamerika ohnehin nur mit acht Kilogramm (wovon der Rucksack zwei wog) Gepäck unterwegs. Das Zeug hätte locker in eine kleinere Tasche gepasst. Das hätte mir etwas Geld sowie Nerven erspart, da ich immer darum bangte, dass mein Aufgabegepäck auch wirklich mit mir fliegt. Ich hab da ein paar Vertrauensprobleme und ein schwieriges Verhältnis den Airlines gegenüber.

Aber bitte jetzt nicht falsch verstehen: Das ist Meckern auf dem allerhöchsten Niveau! Diese paar Kleinigkeiten sind ein Staubkorn in der Wüste im Vergleich zu meinen guten Entscheidungen und positiven Erlebnissen. Ich möchte dir nur den versprochenen authentischen Einblick gewährleisten und finde es wichtig klarzustellen, dass nicht alles (meistens aber schon) beim Reisen Friede, Freude, Eierkuchen ist.

Was wünschst du dir, was die Lesenden von deinem Buch mitnehmen und ihnen in Erinnerung bleibt?

Zwar habe ich das Buch in erster Linie für mich selbst geschrieben, damit ich die vielen Kleinigkeiten der Reise niemals vergesse und es hoffentlich eines Tages meinen Kindern zeigen kann. Trotzdem freut es mich natürlich ungemein, wenn Menschen das Buch lesen und es ihnen obendrein noch gefällt. Es ist immer noch eine völlig surreale Vorstellung, dass irgendjemand «mein» Buch liest. Ich hoffe, alle, die das Buch jemals lesen, haben währenddessen eine richtig gute Zeit, sind super unterhalten und können ab und zu mal schmunzeln. Das Leben (auch meines) ist oft ernst genug.

Wenn jemand durch mein Buch eventuell zu einem Abenteuer inspiriert wird, welches sie oder er sonst nicht gewagt hätte, wäre das überragend. Dann hätte ich das Gefühl, dieser Welt etwas Gutes getan zu haben. Ich wünsche mir, dass es Menschen durch mein Buch leichter fällt, Diversität positiv wahrzunehmen. Nicht alles in gut oder schlecht zu kategorisieren, sondern manche Dinge so zu beobachten, wie sie sind. Zu lernen, dass uns (privilegierten Menschen) so viele Möglichkeiten geboten sind, diese Vielfalt der Welt zu entdecken. Dabei sollte stets das eigene Handeln hinterfragt werden und der Natur, den Menschen und ihren Kulturen mit Rücksicht, Respekt und Verständnis begegnet werden. Sei dankbar dafür, wer du bist und was du hast.

Bist du neugierig und möchtest Janniks Buch kaufen?

Willst du wissen, wie Jannik es doch noch nach San Antonio geschafft hat und was er auf seine Reise alles erlebt hat? Dann solltest du dir sein Buch Der Gringo und die 7 Länder Lateinamerika näher anschauen und bestellen.

Wenn du Fragen, Anmerkungen oder Kommentare zum Artikel, zu Jannik und seiner Reise hast, freut er sich über eine E-Mail.

Frieden und Liebe. Peace and Love. Paz y Amor.
Euer Jannik

Jannik vor der Kukulcan Pyramide in Chichen-Itza, Mexiko

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