Jedes Jahr nach dem Winter packt mich die Lust nach Frühling, bereits blühenden Bäumen und ein bisschen Italianità. Meist zieht es mich dann ins Tessin oder nach Italien, in die Lombardei an die oberitalienischen Seen oder Städte wie Mailand, Monza, Verona oder Como oder kleine Orte wie Bellagio. Mit der Eröffnung des Gotthard Basistunnels, der mit 57 Kilometern zurzeit übrigens der längste Eisenbahntunnel der Welt ist, wurde die Anreise nochmals schneller und komfortabler. Um auf den üblichen Stau auf der Straße zu verzichten, fahre ich gerne mit der Bahn.
Der Comer See
Die meisten denken bei Comer See ja immer noch an Mr. Clooney und seine Villa, what else? Dabei hat er diese längst schon wieder verkauft. Dennoch gehört der Comer See zu den mondänen Regionen, wo Stars und Sternchen in Villen und Palästen ihre Ferien verbringen. Der Comer See hat für mich aber auch ein bisschen was von Venedig.
Der Glanz der alten Tage ist vergangen.An vielen Ort bröckelt der Putz und verblassen die Fassaden. Mancherorts strahlen die alten Bauwerke oder die kleinen Dörfchen geradezu einen morbiden Charme aus. Vielleicht fällt mir das aber auch jetzt im März besonders auf. Noch fehlen die Farben: das satte Grün der Wälder, Wiesen, Palmen und Zypressen am Ufer, das Sonnenlicht, das die gelb, rosa und rot getünchten Häuser in in kräftigen Farben erscheinen lässt, und die vielen anderen Blumen als Farbtupfer dazwischen.
Der Comer See ist nach dem Gardasee und dem Lago Maggiore der drittgrößte See Italiens. Er ist etwa 51 km lang und bis zu 4 km breit. Durch seine besondere Form mit den drei sternförmigen Armen braucht man für eine Umrundung ziemlich viel Zeit. Etwa 170 km muss man so auf meist kurvenreichen Bergstraßen zurücklegen. Aber zum Glück gibt es in der Mitte des Sees, dort wo die Arme zusammentreffen, mehrere Fährverbindungen. Damit lassen sich Weg und Zeit sparen.
24 Stunden am Lago di Como
Nach einer Reise ins winterliche Island und etlichen Regentagen in der Schweiz habe ich Mitte März richtig Sehnsucht nach Sonne und warmen Temperaturen. Spontan entscheide ich mich für einen Wochenendausflug an den Comer See. Wie schon letzten Sommer in Verona bleiben mir ziemlich genau 24 Stunden. Diese möchte ich aber nicht nur in der Stadt selbst verbringen, sondern mit einem Ausflug oder einer Übernachtung in Bellagio verbinden.
Como
Am Südufer des Comer Sees gelegen, gab das Städtchen diesem auch seinen Namen. Einst war Como Zentrum der Seidenindustrie. Mit knapp 90.000 Einwohnern ist sie heute eine der größten Städte in der Region. Die oberitalienische Stadt liegt an der Bahnlinie von Chiasso nach Mailand mit guten Verbindungen. Der Bahnhof befindet sich ein wenig außerhalb, das Zentrum ist aber bequem zu Fuß erreichbar.
Insgesamt handelt es sich um ein typisches norditalienisches Städtchen mit einem historischen Zentrum. In den Gassen der Altstadt kann man sich einfach treiben lassen. Verloren geht man dabei nicht. Verschiedene Bars, Cafés und Restaurants, insbesondere an der Piazza Cavour, der Piazza Alessandro Volta oder der Piazza Duomo, laden zum Verweilen ein. Schön ist, dass es hier noch viele kleine Boutiquen mit italienischer Mode, Taschen und Schuhen gibt.
Markt
Bekannt ist Como auch für seinen Markt. Neben Spezialitäten aus der Region gibt es dort vor allem eins: Ramsch. Ramsch in Form von billiger «Mode» wie Steppjacken für 20 € und Oberteile aus Kunstfaser oder Jeans für 10 €. Diese Teile tragen das Label «Made in Italy».
Italy bedeutet in dem Fall hergestellt unter erbärmlichen Bedingungen (nicht viel besser als in Südostasien) von (illegal eingewanderten) chinesischen Mitarbeitenden in chinesischen Fabriken in der Toskana. Aber da Geiz geil ist, ist der Markt Anziehungspunkt für massenweise Tagestouristen aus Österreich und der Schweiz. Besonders traurig ist, dass die selben Kleidungsstücke in Geschäften dort für das Fünffache oder mehr verkauft werden. Wer sich trotzdem oder gerade deshalb ein Bild machen möchte, erreicht den Markt von der Altstadt her am einfachsten durch die Porta Torre.
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Dom und Uferpromenade
Die wichtigste Sehenswürdigkeit ist der Dom. Dafür sollte man sich unbedingt Zeit nehmen, selbst wenn man so wie ich nicht unbedingt ein Fan von Kirchen ist. Sehenswert sind neben dem Duomo natürlich der Comer See mit seinen Uferpromenaden und Parks sowie der Villa Olmo oder dem Tempio Voltiano. Auch eine Fahrt mit der Standseilbahn nach Brunate, um die Aussicht auf den See zu genießen, bietet sich an.
Ich verbringe etwa vier Stunden in der Stadt, bin begeistert von vielen schönen Ecken, die ich dabei entdecke. Gleichzeitig bin ich irritiert wegen der vielen bettelnden Menschen. Es sind vor allem Schwarzafrikaner, die einen ansprechen und Hände oder Mützen entgegenstrecken. Das ist ein Bild, wie man es auch aus Mailand kennt. Hier in der Provinz hätte ich es so nicht erwartet.
Von schwierigen Planungen und Servicewüsten
Wer in der Nebensaison die Umgebung der Stadt erkunden möchte, muss sein Aufenthalt bis ins Detail planen, um keine bösen Überraschungen zu erleben, oder viel Zeit mitbringen. Von November bis Ende März, wenn der Winterfahrplan gilt, gibt es weniger Fährverbindungen zwischen Como und Colico am Nordufer des Sees. An Wochenenden, insbesondere an Sonn- und Feiertagen, sind diese Verbindungen nochmals reduziert. So gibt es am Sonntag beispielsweise zwischen Bellagio und Como eine Schnellfähre um 08:10 Uhr, die nächste und und gleichtzeitig letzte fährt um 16:35 Uhr.
Tickets für die Fähren oder Rundfahrten der Schifffahrtsgesellschaft kann man nicht online kaufen. Dafür muss man zum Schalter. Da in der Vorsaison auch jeweils nur ein Schalter geöffnet ist, heißt es lange anstehen. Besonders ärgere ich mich über die Tatsache, dass ich in Bellagio das Ticket für die Rückfahrt nicht schon am Vortag kaufen kann. Das gibt es erst am frühen Sonntagmorgen.
Nicht besser sieht es übrigens am Sonntag mit den Busverbindungen aus. Wer am Comer See Bus fährt, sollte wissen, dass es Tickets nicht beim Busfahrer zu kaufen gibt. Diese muss man im Vorfeld bei den offiziellen Verkaufsstellen erstehen. Offiziell bedeutet in dem Fall aber nicht etwa Post oder Touristeninformation, sondern das kann z.B. der kleine Lebensmittelladen im Ort sein. Im Falle von Bellagio gibt es die Karten im Vorverkauf in der Bar San Remo in der Nähe des Fähranlegers.
Bellagio
Bellagio gilt neben Varenna als einer der schönsten Orten rund um den Comer See. Die Fahrt mit der Schnellfähre nach Bellagio dauert 40 Minuten. So früh im Jahr ist Bellagio ein verschlafenes Dörfchen, das nur mit der Ankunft der Fähren für kurze Zeit zum Leben erwacht. Alles ist sehr beschaulich und ruhig. Davon, dass Bellagio ein Ziel der Schönen und Reichen ist, zeugen verschiedene teure Geschäfte, wo z.B. Seide verkauft wird.
Die Auswahl der Unterkünfte ist zu dieser Jahreszeit sehr eingeschränkt. Das Grand Hotel Villa Serbelloni und andere traditionsreiche Hotels sind noch geschlossen. Die wenigen über den Winter geöffneten Unterkünfte sind gut gebucht, sodass es gar nicht so einfach ist, kurzfristig ein Zimmer zu finden. Obwohl man merkt, dass sich viele Hotels versteckt hinter Baugerüsten und Plastikplanen oder Holzverschlägen wieder für die Saison herausputzen, ist die Atmosphäre mit den vielen Kränen, doch ein wenig bedrückend.
Die Anzahl der geöffneten Restaurants im Ort ist überschaubar. Hungern muss aber niemand. An einem Samstagabend ist Bellagio nahezu ausgestorben. Wer das Nachtleben genießen möchte, ist demnach in Como besser aufgehoben und plant seinen Aufenthalt so. Dort gibt es auch viele ganzjährig geöffnete Hotels.
Entgehen lassen sollte man sich Bellagio aber nicht, und wenn es nur für einen Tagesausflug ist. Das Städtchen hat eine zauberhafte Promenade – den Blick auf die Stadt trübt einzig der unschöne Fähranleger – und viele farbenfrohe Gässchen und Treppenaufgänge.
Mit diesem kleinen Ausflug nach Italien kann ich mein Bedürfnis nach Frühling decken. Dennoch würde ich empfehlen den Aufenthalt etwas später im Jahr beziehungsweise erst nach Ostern zu planen.
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