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Tallinn zur Weihnachtszeit: Streifzüge zwischen Mittelalter und Moderne

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Ich könnte jetzt sagen, dass mich jedes Jahr zur Adventszeit das Reisefieber überfällt — aber ich bin ja das ganze Jahr reisefiebrig. Weihnachtsmarkt-Atmosphäre in anderen Ländern zu schnuppern, finde ich dann immer besonders spannend. Nach Krakau im letzten Jahr zog es mich diesmal in die estnische Hauptstadt Tallinn, ehemals Reval. Mit seiner mittelalterlichen Altstadt und dem idyllischen Weihnachtsmarkt ist Tallin zur Weihnachtszeit die perfekte Destination für eine Städtereise.

Wenn ich jemanden von meinen Reiseplänen erzählte, gab es genau zwei Reaktionen: Diejenigen, die Tallin nicht kannten, fragten mich, was ich da überhaupt wolle. Und die, die schon einmal da waren, bekamen leuchtende Augen und schwärmten mir vor, wie schön die Stadt doch sei.

Ob es sich lohnt, Tallinn im Winter und den idyllischen Weihnachtsmarkt zu besuchen, erfährst du im Beitrag.

Tallinn im Winter: Was unternehmen?

Tallinn lebt in erster Linie von den vielen Kreuzfahrtstouristen im Sommer und Besuchern aus Finnland oder Schweden, die vor allem wegen der billigeren Preise kommen. Im Winterhalbjahr ist manches geschlossen oder nicht in Betrieb. Die Einschränkungen sind allerdings nicht allzu groß. Den Turm der Olaikirche konnte ich leider nicht erklimmen. Die Aussicht von oben muss überwältigend sein. Dafür wird man von Mitte November bis zum 6. Januar mit dem märchenhaften Weihnachtsmarkt am Rathausplatz entschädigt.

Das Mittelalter ist in der estnischen Hauptstadt allgegenwärtig. Auf der anderen Seite sind die Stadt Tallinn und Estland überraschend modern. An ehemalige Sowjetzeiten erinnern vielleicht noch ein paar Straßenbahnen. Ansonsten sprießen Hochhäuser mit hippen Glasfassaden in die Höhe. Wusstet ihr übrigens, dass Estland sehr innovativ ist und Skype hier erfunden wurde? Seit Ende der 1990-er Jahre ist der Internetzugang für die Esten ein Grundrecht. Die WLAN-Abdeckung im öffentlichen Raum beträgt nahezu 100%. Die Esten können bis auf wenige Ausnahmen ihre Behördengänge online erledigen. Es gibt wenige Verwaltungen, die so modern sind und so stark auf Digitalisierung setzen.

Die Altstadt

Die Altstadt von Tallinn zählt zu den am besten erhaltenen mittelalterlichen Städten in Europa und kann mit einer Vielzahl von wunderschönen historischen Gebäuden aufwarten. Hohe Kirchtürme, herrschaftliche Patrizierhäuser und imposante Speichergebäude sind Zeugen aus der Zeit der Hanse. Umgeben war das mittelalterliche Tallinn von einer 15 Meter hohen und drei Meter dicken Stadtmauer, die bereits im 13. Jahrhundert begonnen wurde, mit mehr als 40 Wehr- und Wachtürmen. 1.85 Kilometer und 26 Türme davon sind heute noch erhalten. Ein Teil der Stadtmauer ist für die Öffentlichkeit zugänglich. Im Nordwesten der Altstadt kannst du zwischen den Türmen Nunna, Sauna und Kuldjala die roten Dächer der Altstadt bewundern.

Die Altstadt gliedert sich übrigens in eine Unter- und eine Oberstadt. Ich kann allerdings nicht sagen, welche die schönere ist. Mich faszinieren beide.

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Die Unterstadt gruppiert sich um den Rathausplatz und ist ein Labyrinth aus engen Gassen, die mit noch engeren Gässchen verbunden sind. Besonders sehenswert am Rathausplatz sind das Rathaus selbst und die älteste Apotheke der Stadt. Während im Sommer das Leben in den Gastgärten der vielen Restaurants und Cafés stattfindet, thront im Winter hier die große Weihnachtstanne. In der Unterstadt findet man viele geschichtsträchtige Gebäude, z.B. die drei Schwestern, Kirchen, Museen und Kunstgalerien. Ein besonderes Plätzchen ist die Katherinen Passage. Hier kann man in kleinen Werkstätten Glas- und Tonwaren, Hüte oder Schmuck kaufen.

Von der Unterstadt geht es steil bergauf oder über Treppen hinauf nach Toompea. Der Domberg ist wiederum eine Welt für sich. Im Mittelalter war er Sitz der Bischöfe, heute laden die Gässchen am Domberg zum Flanieren ein und du findest dort die zwei wichtigsten Aussichtspunkte über die Stadt, die Aussichtsplattformen Patuli und Kohtuotsa. Unweit davon liegt eines der spektakulärsten Gebäude der Stadt, die Alexander Newski Kathedrale mit ihren Zwiebeltürmen.

Tallinns Weihnachtsmarkt

Über den Weihnachtsmarkt habe ich im Vorfeld viel gelesen. Er geht zurück auf das Jahr 1441 und gilt als einer der schönsten Weihnachtsmärkte Europas. Die Buden sind sternförmig rund um den berühmten großen Weihnachtsbaum angeordnet. Zu kaufen gibt es in erster Linie Strick- und Filzwaren. Einige Stände verkaufen regionalen Käse oder Wurstwaren. Kinder freuen sich über das kleine Karussell.

Auffallend ist, dass es an nahezu jedem zweiten Stand Glögg gibt, und zwar in allen Variationen und mit unterschiedlichem Alkoholgehalt. Zu essen gibt es vor allem Brat- und Blutwürste vom Grill, aber auch geschmorte Schweinebacken, Entenkeule, Elch oder Lachs. Dazu werden Sauerkraut und Bratkartoffeln aufgetischt. Am Weihnachtsmarkt treffen sich Einheimische und Touristen in ungezwungener Atmosphäre.

Verglichen mit anderen großen Weihnachtsmärkten in Deutschland oder im Elsass ist dieser Markt schon etwas ganz Besonderes. Für mich hat das etwas von Kindheitserinnerungen.

Rotermannviertel

Von meinem Hotel aus habe ich Blick auf das Rotermannviertel. Es ist absolut erstaunlich, was man hier aus dem ehemaligen Industriegelände gezaubert hat. Dort wo im 19. Jahrhundert die Schornsteine rauchten und Spirituosen, Makkaroni, Mehl oder Brot hergestellt wurden, ist heute ein Wohn- und Geschäftsviertel in liebevoll restaurierten und mit modernen Elementen versehenen Backsteinhäusern entstanden. Im Stadtviertel Rotermann kannst du shoppen, Restaurants besuchen oder ins Kino gehen. Es lädt zum Schlendern und Flanieren ein.

Kalamaja und Kadriorg

Du solltest du dich nicht nur auf die Altstadt konzentrieren. Es gibt etwas außerhalb durchaus sehenswerte Gegenden. Kalamaja ist jenes Viertel, das sich wohl am schnellsten verändert. In die alten Fischerhäuser aus Holz kehrt wieder Leben ein. Irgendwo habe ich den Vergleich gelesen, dass Kalamaja heute so etwas wie der Prenzlauer Berg in den 1990ern ist. Besonders stylisch wird es in Telliskivi mit alten Fabrikshallen, coolen Restaurants und Bars, Designerläden und Street Art. Daneben entstehen viele moderne Wohnhäuser im Stil des Viertels. Wer ein etwas anderes, nicht nur für Touristen herausgeputztes Tallinn erleben will, sollte hier einmal einen Spaziergang machen.

In entgegengesetzter Richtung geht es in den Stadtteil Kadriorg. Dort liegt das Kunstmuseum und natürlich das wunderschöne Schloss Kadriorg.

Shoppingmalls

Einkaufszentren sind im Norden Europas sehr beliebt. Bei Kälte und Dunkelheit ist Shopping an der Wärme dann doch sehr praktisch. Wobei mir insgesamt auffällt, dass die Räume im Norden nicht so überheizt sind wie bei uns. In Tallinn gibt es mehrere Shoppingcenter, sowohl mit lokalen Geschäften als auch mit allen internationalen Ketten. Viru ist von der Altstadt aus am einfachsten zu erreichen und liegt ganz in der Nähe meines Hotels.

Ein Ausflug nach Helsinki

Die estnische Hauptstadt liegt nur einen Steinwurf oder eine zweistündige Fährfahrt von Helsinki entfernt. Wer mehrere Tage in der Stadt ist, sollte einen Besuch in Erwägung ziehen. Das ist auch im Winter möglich und ein durchaus lohnender Ausflug.

Praktische Tipps

Unterwegs in der Stadt

Der Flughafen Tallinn liegt etwa vier Kilometer vom Zentrum entfernt. Dorthin kommt man entweder mit der Tram Linie 4 oder der Buslinie 2, die direkt zum Busbahnhof beim Shoppingcenter Viru fährt. Tickets gibt es beim Fahrer, sie kosten 2 Euro. Taxifahren in Tallinn ist vergleichsweise billig, die Fahrt vom Flughafen ins Zentrum (ebenfalls Viru) kostet nur zwischen 7 und 11 Euro. Nachdem mein Koffer wieder einmal nicht angekommen ist und ich mich über eine Gepäckverspätung ärgern darf, entscheide ich mich für die Taxifahrt.

Der Flughafen von Tallinn hat sich übrigens zu einem meiner neuen Favoriten gemausert. Klar, er ist nicht groß, aber dort, wo anderswo kalte Steinböden sind, geht man am Flughafen Tallinn-Lennart Meri (TLL) auf Eichenparkett. Jedes Gate ist individuell gestaltet und richtig heimelig. Da gibt es farbenfrohe Sitzgelegenheiten, eine Bibliothek, Tischtennistische und Laufbänder.

Nahezu alle Sehenswürdigkeiten in Tallinn sind fußläufig zu erreichen. Ansonsten kann man auf Tram, Bus oder Taxi umsteigen, z.B. wenn man zum Hafen, nach Kalamaja oder Kadriorg möchte.

Informationen

Besonders hilfreich für die Reiseplanung ist die Seite Visit Tallinn. Dort findest du auch Informationen zur Tallinn Card. Ich persönlich bin der Ansicht, dass man Kosten un Nutzen solcher Angebote gut abwägen muss. In den meisten Fällen lohnt es sich nicht. Die Tallinn Card kostet 25 Euro für einen Tag und 39 Euro für zwei Tage. Da muss man schon einige Museen besuchen. Zwar ist auch der öffentliche Nahverkehr inbegriffen, aber außer dem Weg zurück von Kalamaja gehe ich alles zu Fuß.

Unterkunft in Tallinn

Tallinn bietet eine Vielzahl von Hotels für jeden Geschmack. Einige Hotels liegen in historischen Gebäuden in der Altstadt, andere direkt am Rande (Nordic Forum, Solo by Sokos, Tallink) davon und wieder andere in der neuen Hotelzone (Radisson Blue, Swissotel) oder am Hafen. Ich selbst entscheide mich für die erste Option – mitten im Geschehen. So sind Altstadt, Hafen und Shoppingcenter von meiner Unterkunft aus schnell zu erreichen.

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Essen in Tallinn

Die estnische Küche ist eher deftig. In der Altstadt wird außerdem mit Essen wie im Mittelalter geworben. Aber auch gehobene und internationale Küche ist überall zu finden. Ich habe im Vegan Restoran V, im Rataskaevu16 und im Kvartal gegessen und war immer zufrieden, wobei ich die vegetarischen Gerichte im Rataskeaevu16 eigentlich besser fand als das Essen im Vegan Restoran V. Die Preise für ein Hauptgericht bewegen sich zwischen 10 und 25 Euro. In den Touristenlokalen rund um den Rathausplatz kann es durchaus noch teurer werden.

Mir hat die estnische Hauptstadt ausgesprochen gut gefallen und ich werde bestimmt wieder einmal ins Baltikum reisen. Reisen und den Besuch von Weihnachtsmärkten (Krakau, Elsass) zu kombinieren, ist sowieso genau mein Ding. Meine nächste Weichnachtsmakrt-Reise führt mich jedoch nach Luxemburg.

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Teilzeitnomadin Travellingcarola

Carola ist eine passionierte Teilzeitnomadin, verbindet Vollzeitberuf mit Reiselust. Sie ist der Kopf hinter Travellingcarola.

Seit 2016 schreibt sie authentische Reiseberichte über einzigartige Erlebnisse, gibt praktische Tipps und will andere inspirieren, die Welt zu entdecken.

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