Zum ersten Mal in diesem Jahr bade ich meine Füße im See. Dafür habe ich mir einen ausgesprochen schönen Ort ausgesucht, den Schwarzsee im Kanton Freiburg. Dort tue ich es dem Riesen Gargantua gleich. Während er der Sage nach den Mönchsee dabei so stark verschmutzte, dass der See seither Lac Noir heißt, strecke ich nur meine nach der Wanderung müden Beine ins erfrischend kalte Wasser.
Abtauchen und Aufsteigen
Heutzutage ist der See ein beliebtes Ausflugs- und Urlaubsziel. Die Freizeitmöglichkeiten am und um den See sind vielfältig. Im Sommer kommen Wasserratten beim Schwimmen, Kajak fahren oder Stand Up Paddling voll auf ihre Rechnung. Mit einem Tretboot (Pedalo) lässt es sich gemütlich über den See schaukeln. Beim Anblick der drei Schwanen-Tretboote am Steg vor der Hostellerie am Schwarzsee kommt mir unweigerlich die Geschichte von Petra in den Sinn.
Die schwarze Trauerschwan-Dame Petra hatte sich am Münsteraner Aasee unsterblich in ein solches Tretboot verliebt und wich ihm nicht mehr von der Seite. Wenn das Boot vermietet wurde, schwamm Petra hinterher und folgte ihm sogar ins Winterquartier. Ganze zwei Jahre dauerte die Romanze, die es sogar in die internationalen Medien schaffte.
Für Spaß sorgen die Sommerrodelbahn bei der Talstation der Kaysereggbahn. Von der Riggisalp, die bequem mit dem Sessellift zu erreichen ist, kannst du mit Monster-Trottinetts auf einem vier Kilometer langen Weg ins Tal sausen.
Eingerahmt von Gipfeln wie Schwyberg, Les Recardets, Spitzfluhe oder Kaiseregg ist die Region um den See perfekt zum Wandern. Dieses Jahr liegt Ende April noch sehr viel Schnee, sodass die Auswahl der Touren eingeschränkt ist. Wenn du zwischen Ostern und Mitte Mai in die Gegen kommst, musst du bedenken, dass die Sesselbahn auf die Riggisalp, die dir bei Wanderungen einige Höhenmeter erspart, dann nicht fährt. Da das Wetter gut ist, entschließe ich mich, am ersten Tag die Tour in die Urlandschaft Brecca in Angriff zu nehmen und am zweiten Tag gemütlich den See zu umrunden.
Wanderung zum Breccaschlund
Imposante schroffe Felswände aus Kalkstein, dazwischen Alpweiden, auf denen große und kleine Steinbrocken verstreut sind – so präsentiert sich die Urlandschaft Brecca. Die wilde Gegend wirkt geradezu mystisch und verwunschen. Kein Wunder ranken sich viele Sagen um Märchen um den Breccaschlund, der gleichzeitig als Kraftort gilt. Vor dieser wildromantischen Naturkulisse trauen sich dort, wo der Schnee bereits geschmolzen ist, die ersten Krokusse aus der Erde und bilden einen weißen Blütenteppich mit ein paar violetten Farbtupfern. Der Frühling hält langsam Einzug im Breccaschlund.
Die Urlandschaft Brecca gilt als eines der schönsten Alpentäler der Schweiz. Vor Zehntausenden vor Jahren haben Gletscher hier eine faszinierende Landschaft geschaffen. Der Breccaschlund wurde 1996 in das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) aufgenommen. Das BLN soll die landschaftliche Vielfalt der Schweiz und die charakteristischen Eigenheiten der Landschaften bewahren. Der Name Brecca kommt angeblich aus dem Patois, einer alten frankoprovenzalischen Sprache, und bedeutet so viel wie Trümmer.
Die Wanderung durch die Urlandschaft Brecca beginnt laut Beschreibung auf der Riggisalp und führt über die Alp Unterer Euschels, Stierenberg, Rippetli, die Alp Antoni Brecca und die Alp Marbach Brecca hinein auf den Rundweg in den Breccaschlund. Bei der Alphütte Sankt Antoni Brecca lässt sich die Tour abkürzen. Wenn dir die große Tour zu weit oder zu anstrengend ist, kannst du von hier aus über die Alp Steinige Rippa und Hubel Rippa absteigen. Für die große Tour solltest du vier bis fünf Stunden einplanen, die kleine dauert etwa zweieinhalb Stunden.
Ich starte meine Wanderung am Südufer des Sees und steige entlang des Euschelsbaches zur Spicherweid auf. Über die provisorische Bachüberquerung, die bei Hochwasser oder aufkommendem Gewitter nicht begangen werden darf, geht es weiter zur Hubel Rippa. Die entgegengesetzte Richtung zur vorgeschlagenen Route wähle ich, weil die Sesselbahn sowieso noch nicht fährt. Außerdem weiß ich nicht, ob die Schneeverhältnisse die Tour überhaupt zulassen.
Bei der Wälschi Rippa treffe ich auf die ersten Schneefelder. Der Weg, der in Stufen hinauf zur Steinigen Rippa führt, ist dennoch einigermaßen gut zu bewältigen. Schnell zeigt sich dann, dass es für die große Tour durch die Brecca noch zu früh im Jahr ist. Ich kürze ab und stapfe von hier bis zur Unteren Euschels durch den Schnee, was doch ziemlich anstrengend ist. Danach wandere ich auf direktem Weg hinunter in den Ort. Trotz der widrigen Bedingungen genieße ich die Tour und die grandiosen Ausblicke bei schönstem Wetter.
Die Almen sind erst ab etwa Mitte Mai bewirtschaftet. Auf der Wanderung durch die Urlandschaft Brecca gibt es dann bis zu sieben Berghütten, wo man sich mit dem Käse der Region und anderen Köstlichkeiten stärken kann. An Einkehrmöglichkeiten mangelt es weder auf der kleinen noch auf der großen Tour in den Breccaschlund. Alleine schon wegen der urigen Alphütten möchte ich die Wanderung im Sommer oder Herbst noch einmal machen.
Seerundgang und Häxeweg
Wer nicht so hoch hinaus will, spaziert gemütlich um den See. Die mit einem Abstecher zum Wasserfall etwa fünf Kilometer lange Runde ist turnschuhtauglich und verläuft auf einen breiten Kiesweg ohne nennenswerte Steigungen. Ausgangspunkt ist Gypsera. Auf dem Rundweg offenbaren sich wunderschöne Aussichten über den See, den Schilfgürtel und das hügelige Senseland. Dafür lohnt es sich, den kleinen Aussichtsturm zu besteigen.
Im Schnelldurchlauf ist der See in etwa einer Stunde umrundet. Wenn du mit Kindern den Häxeweg erkunden willst, musst du zwei- bis zweieinhalb Stunden einkalkulieren. Der Häxeweg entspricht dem Rundweg um den See, macht die Wanderung durch sieben Stationen zu Sagen und Märchen aus dem Senseland kurzweilig und spannend. Unter anderem trifft man dabei auf die Ankenhäx, erfährt, wie der Schwarzsee entstanden ist, und kann den Drachen, eine Eisenplastik hoch oben im Felsen, zum Leben erwecken.
Dazu gibt es im Tourismusbüro das Häxeset zu kaufen. Neben Gutscheinen für Rodelbahn und Minigolf enthält es eine kleine Stärkung für unterwegs und die nötigen Hilfsmittel, um das Zauberwort herauszufinden.
Der Rundweg eignet sich übrigens auch für eine Winterwanderung. Bei entsprechenden Bedingungen wird sogar das Eis freigegeben.
Der Wal im Schwarzsee
Bei der Seeumrundung, kommt man an einer weiteren Attraktion vorbei. Vor dem Strandbad Gypsera ragt eine Walflosse aus Metall aus dem See. Die Fluke erinnert mich an meine letzte Walbeobachtung auf den Azoren, auf Faial. Aber warum tummelt sich überhaupt ein Wal in diesem Bergsee?
Im Sommer 2018 stellte der Düdinger Künstler Manfred Zurkinden in Zusammenarbeit mit Schwarzsee Tourismus und der Gemeinde Plaffeien etwa 20 seiner Werke aus Stein und Metall rund um den See aus. Der Großteil der Skulpturen befand sich beim Restaurant Gypsera, andere vor der Hostellerie oder dem Restaurant Schwarzseestärn und sogar auf der Riggisalp. Die Kunstwerke standen zum Verkauf.
Für Zurkinden musste die Flosse einfach in den See. Und dort durfte sie auf seinen Wunsch hin sogar bleiben. Bis heute fügt sie sich bis erstaunlich gut in das Landschaftsbild ein. Nach einer ersten Irritation erscheint die Walbeobachtung gar nicht mehr so abwegig.
Der Röstigraben
Eingebettet in die ursprüngliche und wildromantische Hügellandschaft der Freiburger Voralpen liegt der Schwarzsee unweit des sogenannten Röstigrabens. Der «Röschtigraben» ist nicht etwa eine Naturerscheinung, sondern die Sprachgrenze zwischen der deutsch- und der französischsprachigen Schweiz, die teilweise entlang der Saane (La Sarine) verläuft. Dabei handelt es sich nicht um eine exakte Trennlinie, eher um zweisprachige Regionen.
Der Kanton Freiburg zählt neben Bern und Wallis zu den drei offiziell zweisprachigen Kantonen der Schweiz. Und selbst, wenn der Röstigraben keine gefährliche Schlucht darstellt, offenbart er sich manchmal als tiefer Graben zwischen der Deutschschweiz und der Suisse romande – zumindest in den Köpfen und bei den eidgenössischen Volksabstimmungen. Denn in der Regel zeigt sich die Westschweiz weitaus weltoffener, ausländerfreundlicher und stimmt staatlichen Lösungen in sozialen Fragen eher zu.
Und zum Abschluss noch ein bisschen mehr Geografie
Mit einer Fläche von etwa 0.5 km2 gehört der Schwarzsee zu den kleineren Schweizer Seen. Er liegt auf 1’046 Metern über dem Meer. Bei einer Länge von 1.4 Kilometern und einer Breite von rund 500 Metern ist er schnell umrundet oder durchquert. Und weil er maximal zehn Meter tief ist, wird er im Sommer angenehm warm.
Euschelsbach und Seeweidbach im Süden und Südwesten sind die Zuflüsse. Den Abfluss in Norden bildet die Warme Sense. Die Ufer sind mit Ausnahme eines kleinen Abschnitts im Süden flach, oftmals von einem Schilfgürtel umgeben. Das Schöne ist, dass der See nicht zugebaut ist. Der kleine Ort Schwarzsee am nördlichen Ufer ist eine Streusiedlung und gehört zur Gemeinde Plaffeien. Plaffeien teilt sich den Schwarzsee mit Jaun und Val-de-Charmey. Weil das Wasser des Sees schwefelhaltig ist, entstand bereits 1750 ein Heilbad.
Vom ehemaligen Kurbad ist heute nichts mehr zu sehen, aber es stellte den Anfang der touristischen Erschließung der Region dar.
Übernachten
Wenn du mit Seesicht aufwachen möchtest, musst du dich entweder direkt in der Hostellerie Schwarzsee oder im Hotel Bad einquartieren. Ich habe mich für die Pension fein & sein, zehn Geh- oder zwei Fahrminuten vom See entfernt, entschieden. Die Zimmer sind neu und modern, perfekt für eine Nacht. Das Essen und Bedienung sind ausgezeichnet.
Pension fein & sein [Affiliate-Link, Werbung]
Carola ist eine passionierte Teilzeitnomadin, verbindet Vollzeitberuf mit Reiselust. Sie ist der Kopf hinter Travellingcarola.
Seit 2016 schreibt sie authentische Reiseberichte über einzigartige Erlebnisse, gibt praktische Tipps und will andere inspirieren, die Welt zu entdecken.