Kaum zu glauben, wie alt ich werden musste, bis ich endlich River Rafting ausprobiert habe. Während meiner letzten Reise durch Costa Rica habe ich neben Canopy auch eine Zweitagestour auf den Pacuare gebucht und mich erstmals in die Hände eines Guides auf einem dieser Gummiboote begeben. Zum Glück, kann ich heute sagen, war die Rios Tropicales Lodge nur auf dem Wasserweg zu erreichen. Denn während dieser beiden Tage hat mich sozusagen das Fieber gepackt. Für mich steht fest: Das muss ich wiederholen! Warum? Ganz einfach, weil es unendlich viel Spaß macht. Diesmal geht es auf die Lütschine im Berner Oberland.
Rafting in der Schweiz
Bisher habe ich mir keinerlei Gedanken gemacht, welche Raft-Flüsse es in der Schweiz überhaupt gibt. Angefangen hat alles am Vorderrhein bei Reichenau. Die Rheinschlucht bei Ilanz ist prädestiniert zum Raften. Inn, Saane, Rhône oder Dranse sind ebenfalls beliebte Ziele. Ich entscheide mich für die Lütschine. Zum einen verspricht der Fluss am Fuße der Eiger-Nordwand fortlaufende Stromschnellen der Wildwasserklasse III-IV, zum anderen liegt Interlaken nicht einmal eine Stunde entfernt. Daneben gibt es noch verschiedene Angebote für sogenanntes Easy Rafting am Ticiono, der Reuss, der Simme, der Aare oder im Engadin.
Mit Outdoor Interlaken auf der Lütschine von Wilderswil bis Bönigen
Outdoor Interlaken ist der größte Veranstalter in der Region und hat vielfältige Outdoor-Aktivitäten für Sommer und Winter im Programm. Diese reichen von Canyoning über Rafting sowie Wander- oder Klettertouren bis hin zum Paragliding. Rafting wird ebenfalls auf mehreren Flüssen und in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen angeboten: Familienrafting, moderates Rafting auf der Simme (Stromschnellen der Klassen II bis III) für Neulinge, Schulklassen, Familien,Vereine oder Gruppen und für alle, die Abenteuer und Action suchen, die Tour auf der Lütschine. Letztere wird auch als Tagestour ab Zürich oder Luzern angeboten.
Die Basis des Veranstalters liegt in der Hauptstraße in Matten, die Rafting-Basis keine zehn Häuser weiter beim Eissportzentrum. Dort kann man auch parken. Der Großteil der Kundschaft sind Touristen aus aller Welt. Das trifft auch auf die Guides zu. So ist es nicht verwunderlich, dass die Sprache hauptsächlich Englisch ist.
Eckdaten
Auf der Website von Outdoor Interlaken sind der Verlauf der Tour und die Anforderungen gut beschrieben. Sie richtet sich an sportliche und mutige Teilnehmerinnen und Teilnehmer und erfordert gute Schwimmkenntnisse. Der Kontakt per Mail und der Service im Vorfeld waren in Sachen Vorbereitung sehr hilfreich.
Durchgeführt wird die Tour von Mai bis Oktober mehrmals täglich. Für Einzelpersonen kostet sie (ein Getränk inklusive) CHF 129.00. Die benötigte Ausrüstung (Neoprenanzug, Schuhe, Helm und Schwimmweste ist selbstverständlich mit dabei. Outdoor Interlaken bietet auch einen Foto-Service. Am Ende kann man die Bilder für CHF 28.00 kaufen, sie werden digital über einen Downloadlink zur Verfügung gestellt.
Insgesamt muss man vier Stunden einplanen. Das beinhaltet das Umkleiden, den Transfer mit dem Bus zur Einbootungsstelle und die Rückfahrt vom Brienzersee in die Basis. Auf dem Wasser ist man eineinhalb bis zwei Stunden. Dabei ist man durchgehend am Paddeln.
Wie bei Touren in Flüssen mit Rapids der Klasen III bis IV üblich, liegt das Mindestalter bei 14 Jahren. Außerdem werden die Rafts von einem Sicherheitskajaker begleitet.
Erste Einweisung und Ausrüstung fassen
Nach einer ersten Instruktion über den Ablauf dürfen wir unsere Neoprenanzüge plus Schuhe abholen und uns umziehen. Ohne Zweifel ist dies der anstrengendste Teil des Tages. Ich hasse es, mich in diese unpraktischen Teile zu zwängen. Wie sehr wünsche ich mir da die Badewannentemperatur des Pacuare in Costa Rica. Die Lütschine hat gerade einmal etwas mehr als 10° Celsius. Wer hier über Bord geht, ist dann doch froh um diese zweite unbequeme Haut. Nach der Zuteilung von Helm und Schwimmweste geht es ab in den Bus.
Outdoor Interlaken orientiert schon bei der Buchung darüber, dass man Badekleidung anziehen und ein Handtuch mitbringen soll. Duschen gibt es in der Basis allerdings nicht.
Trockentraining und Einwassern
Die Einstiegsstelle in den Fluss befindet sich in der Gemeinde Wilderswil, etwa zwei Kilometer unterhalb der Ortschaft Lütschinen. Jetzt folgen die wichtigsten Anweisungen, was zu tun ist falls man aus dem Raft fällt. Wir bekommen gezeigt, wie wir uns am Sicheheitskayak festklammern oder wie wir uns mit Hilfe der Lifeline wieder zum Boot ziehen können. Auch für den Fall, dass wir unter das Raft gelangen, gibt es wichtige Hinweise. Allen, die solche Anweisungen zum ersten Mal hören, wird etwas mulmig zumute. So ist es mir vier Wochen zuvor auch ergangen. Jetzt weiß ich aber schon, was mich erwartet.
Jetzt werden wir noch in zweit Gruppen auf- und auf die Boote und Guides verteilt. Direkt am Parkplatz nehmen wir unsere Positionen im Boot ein und machen eine Trockenübung aller Kommandos. Der andere anstrengende Teil an der Tour ist, die Rafts ins Wasser und später wieder zurück auf den Anhänger zu befördern. Am Ufer wiederholen wir noch einmal alles Wichtige und dann geht es gleich los in Richtung der ersten Rapids, wo die Fotografin schon auf uns wartet.
Die Lütschine bezwingen
Wir sind von Beginn an gleich ziemlich gefordert, müssen aktiv paddeln, uns festhalten oder ins Boot. Bei mir stellt sich schnell wieder das bekannte Hochgefühl ein.
Rafting macht einfach Spaß.Obwohl in diesem kalten Mai die Schneeschmelze noch nicht begonnen hat, führt die Lütschine aufgrund des anhaltenden Regens doch ziemlich viel Wasser. Es geht also recht rasant flussabwärts. Wenn das Raft aufs Wasser aufprallt, bekommen wir eine ordentliche Ladung kalten Wassers ab. Da bleibt einem kurz die Luft weg.
In den ruhigeren Passage zwischendurch kommt unser Guide Mike tatsächlich auf die dumme Idee Rettungsübungen zu machen und lässt jeweils eine Seite des Bootes ins Wasser springen. Die anderen müssen sie wieder rausziehen. Ich finde das bei den Temperaturen eine ziemlich überflüssige Übung und verweigere den Gehorsam. Abgesehen von der Tatsache, dass meine Hinterpaddlerin wenig Gefühl für Synchronität hat und ein bisschen wie Pocahontas paddelt, sind wir eine tolle fünfköpfige Frauencrew, die ihr Bestes gibt.
Ein Teil der Lütschine steht unter Naturschutz und kann aufgrund seiner Stromschnellen der Klasse V auch nicht kommerziell befahren werden. Hier heißt es auswassern, das Raft über den Kopf heben und auf den Anhänger hieven. Die kurze Strecke legen wir mit dem Bus zurück.
Im Unterlauf Richtung Brienzer See ist die der Fluss reguliert. Jetzt geht es sehr gemütlich zu, dafür müssen wir etwas mehr paddeln, um vorwärtszukommen. Das gilt auch für die Überquerung der Seebucht bei Bönigen, wo man zum Abschluss vom Boot springen und schwimmen kann – oder besser könnte.
Pacuare oder Lütschine?
Zweimal River Rafting, aber zweimal völlig unterschiedlich. Die beiden Touren lassen sich nur ganz schwer miteinander vergleichen. Die Fahrt am Fuße der Eiger Nordwand ist imposant, die Landschaft am Pacuare hat mich jedoch mehr begeistert. Auch die Temperaturen sprechen eindeutig für Costa Rica. Abschnittsweise war die Lütschine etwas spektakuläer, zumindest gemessen an den Wassermassen, die über uns hereingebrochen sind. Eine Tagestour mit einem zweitägigen Rafting zu vergleichen ist nicht fair. Der Abend in der Rios Tropicales Lodge war schon ein einmaliges Erlebnis. Beide Anbieter sind sehr professionell. So habe ich mich auch beide Male sicher gefühlt.
Weitere Pläne
Irgendwann möchte ich noch einmal zum Rafting auf den Vorderrhein und durch die Rheinschlucht. Die Strecke in der Rheinschlucht von Ilanz über Versam nach Reichenau muss landschaftlich wunderschön sein. Zudem ließe sich die Fahrt auf dem Vorderrhein gut mit einem Wochenende in der Surselva verbinden. Aber auch eine Tour im Engadin auf dem Inn bei Scuol oder in der Giarsun Schlucht könnte ich mir gut vorstellen.
Bei den zurzeit herrschenden Temperaturen liegen «Gummiböötle» auf Aare, Reuss, am Ticino oder sonst irgendwo im Tessin ebenfalls hoch im Kurs.
Dieser Raftingausflüg lässt sich übrigens bestens mit einem Wochenendaufenthalt im Hotel Rosenlaui verbinden.