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Sylt oder der Beginn einer Inselliebe in der Nordsee

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Sylt gilt für viele als die Sehnsuchtsinsel in der Nordsee – mondän, Strand, Natur und Inselromantik. Sylt gilt als die Insel der Schönen und Reichen. Das Klischee klebt an an der Insel vergleichbar mit dem feinen Sand an den nassen Füßen, wenn man seine Schuhe nach einem Strandspaziergang wieder anziehen möchte. Dabei sind die Schickimicki-Zeiten eigentlich längst vorbei. Aber die Insel lebt immer noch sehr gut vom Glanz vergangener Zeiten und dem eingenommenen Geld angesichts horrender Immobilienpreise. Dabei kannst du auf der Insel auch einen ganz entspannten Urlaub verbringen.

Verliebt Sylt? Wie sich meine Beziehung zur Nordseeinsel entwickelt hat und wie es zur Inselliebe gekommen ist, erzähle ich im Beitrag und teile ein paar meiner Erlebnisse.

Meine Liebesgeschichte

Da SWISS im Sommer 2017 zweimal wöchentlich direkt auf die Insel fliegt, muss ich die Gelegenheit beim Schopfe packen. Endlich kann ich meine Reisepläne in die Tat umsetzen und mir selbst ein Bild von der Insel machen. Schließlich steht die Nordeseeinsel schon lange auf meiner Bucketlist. Das erste Date wird ein kurzes sein, ganz unverfänglich für vier Nächte in Westerland, im Zentrum der Insel.

Erster Eindruck

Der Anflug über die anderen Inseln und Halligen, während die kleinen Wölkchen ihre dunklen Schatten auf die Nordsee werfen, verstärkt die Vorfreude. Begeistert beobachte ich dieses Naturschauspiel. Vom winzig kleinen Provinzflughafen ist man in ein paar Minuten in der Stadt. Die ist leider völlig anders, als ich mir das vorgestellt habe: gesichtslose Hochhäuser und ein riesiger, hässlicher Hotelbunker direkt an der Strandpromenade. Etwas irritiert bin ich auch, weil (und das ist jetzt nicht despektierlich gemeint) der Rollator neben dem Porsche Cayenne wohl das häufigste Gefährt in Westerland ist. Liebe auf den ersten Blick ist das bei mir definitiv nicht.

Erste Annäherung

Ich muss Meer sehen, will Meer spüren und riechen. Deswegen bin ich schließlich hier. Nach einem ersten Abstecher in die Einkaufsmeile Friedrichstraße zieht es mich an den Strand. Eine steife Brise weht mir um die Nase. Und während ich erstmals über die langen Holzstege, die die empfindliche Dünenlandschaft schützen sollten, laufe, kann ich ein wenig nachvollziehen, was so viele auf die Insel zieht. Die unzähligen blau-weißen Strandkörbe leuchten in der goldenen Abendsonne sehe und das Geschrei der Möwen begleitet meine Schritte. Obwohl es empfindlich kalt ist, bleibe ich bis zum Sonnenuntergang um 22:03 Uhr glückselig in meinem Strandkorb sitzen.

Das Kennenlernen: Vorzüge und Makel

Bei strahlendem Sonnenschein mache ich mich am nächsten Tag mit dem E-Bike auf den Weg. Für mich ist das eindeutig das beste Fortbewegungsmittel auf der Insel. Die Entfernungen sind so, dass man in einer Tagestour alles erreichen kann. Und der zuschaltbare Motor erlaubt das entspannte Zurücklegen weiterer Strecken, auch wenn einem der Gegenwind (hier hat man übrigens immer und überall Gegenwind) ins Gesicht bläst. Alleine schon die Bewegung an der frischen Luft macht Spaß.

Mit dem E-Bike werde ich im Winter 2020 auch auf der Nordeseeinsel Texel unterwegs sein.

Der Inselnorden

Hinter Westerland, zwischen Wenningstedt und Kampen, beginnt eine wunderschöne Heidelandschaft. Die stillgelegte Bahntrasse der ehemaligen Inselbahn, der Rasenden Emma, dient heute als Radweg. Nach einem Abstecher zur Uwe-Düne, der höchsten Erhebung der Insel, geht es weiter in den Lister Hafen.

List ist die nördlichste Gemeinde der Insel und ganz Deutschlands. Hier legen auch die Fähren zur dänischen Nachbarinsel Rømø ab. Ich habe keine Ahnung, wie der Hafen vor der Neugestaltung im Winter 2003/2004 ausgesehen hat. Ich meine aber, dass man ihm mit den skandinavischen Holzhäusern, die hier ein wenig fehl am Platz sind, nichts Gutes getan hat. Auf mich wirkt der Hafen wie ein Disneyland mit Einkaufszentren, Outlets, einem kleinen Vergnügungspark für Kinder und mehreren Restaurants. Alles erscheint etwas zu künstlich und aufgesetzt.

Es hält mich nicht lange und ich radle weiter zum sogenannten Ellenbogen. Dort finde ich dann meinen absoluten Lieblingsplatz. Der Ellenbogen ist eine lang gestreckte Halbinsel am nördlichsten Zipfel der Insel, zu erreichen über eine für PKW mautpflichtige Privatstraße. Schon auf dem Weg dorthin freue ich mich an den grasenden Schafen und den zwei so typischen rot-weißen Leuchttürmen List-West und List-Ost. Der Strand und die Naturlandschaft sind atemberaubend schön. Hier gibt es keine touristische Infrastruktur, also keine Strandbistros, Kioske oder Strandkörbe. Dafür findest du Natur pur. Ich könnte stundenlang am Strand entlanglaufen. So habe ich mir das in Gedanken ausgemalt und so hat sich Sylt nach einigen Umwegen auch präsentiert.

Der Westen

Auf dem Weg zurück mache ich Halt an der Buhne 16 und gönne mir danach Kaffee und Kuchen in der Kupferkanne. Dazwischen erkunde ich die Ortschaft Kampen. In der «Whiskymeile» beherbergen die hübschen Häuschen mit dem traditionellen Reetdach zum Teil recht exklusive Designerboutiquen von Chanel über Hermes bis zu Louis Vuitton. Der gut betuchte Besucher braucht schließlich auch das passende Schlechtwetterprogramm. Etwas außerhalb befinden sich neu errichtete Luxusvillen, die Fahrzeuge in den Einfahrten haben vielfach Schweizer Kennzeichen. Es ist alles penibel sauber, mit wunderschönen Gärten. Schön anzuschauen, aber es fühlt sich nicht authentisch an.

Meine letzte Station an diesem Tag ist das Rote Kliff zwischen Kampen und Wenningstedt. Hier mache ich nochmals einen ausgedehnten Strandspaziergang, zuerst dem Meer entlang und zurück über die Dünen und das Kliff. Die Szenerie ist atemberaubend schön. Ich kann mich kaum sattsehen.

Gosch gilt hier als Institution. Von allen Seiten wurde mir ein Besuch empfohlen. Auch hier kenne ich den «alten» Gosch in Wenningstedt nicht. Das SB-Restaurant Gosch am Kliff ist nicht mehr als eine stylische, aber wenig authentische, Massenabfertigung. Insgesamt bin ich vom Gosch-Imperium nicht so überzeugt: das Angebot ist wenig innovativ, die Bedienung mittelmäßig freundlich und die Brötchen sind billigste Aufback-Industrieware. Aber vielleicht bin ich auch nur zu kritisch.

Osten und Süden

An meinem zweiten Inseltag nehme ich am Morgen an einer Wattführung der Schutzstation Wattenmeer in Keitum teil. Dabei wird den Besucherinnen und Besuchern während einer Wattwanderung das einzigartige Ökosystem des Weltnaturerbes Wattenmeer eindrücklich näher gebracht.

Der Radweg entlang des Wattenmeeres nach Hörnum ist ebenfalls sehr eindrücklich. Am Hafen kann man entweder eine Leuchtturm-Führung mitmachen oder wenn man Zeit und Lust hat diverse Schifffahrten zu den anderen Inseln, Halligen oder ans Festland unternehmen. Eingebettet in die Dünen- und Heidelandschaft rund um Hörnum stehen wiederum jede Menge Ferienhäuser, die meisten davon wohl wie am Fließband errichtet … ein bisschen Einheitsbrei, wie ich ihn schon von anderen Orten hier kenne.

Auf dem Weg Richtung Norden darf selbstverständlich ein Abstecher in eine andere Insel-Institution, die Sansibar, nicht fehlen. Die illustre Party-Bar in den Dünen bei Rantum ist immer gut besucht. Eigentlich ist es nur eine Bretterbude, aber das Ambiente ist dennoch speziell. Wenn du abends dort essen möchtest, musst du unbedingt reservieren. Die Marke Sansibar wird gnadenlos vermarktet.

Trotz des schönen Wetters geht es für mich abschließend noch in die Strandsauna. Schwitzen mit Blick aufs Meer und das größte und schönste Tauchbecken sind ein unvergleichliches Erlebnis.

Die Beziehung zu Sylt

Wenn man das erste Mal über die Dünen ans Meer kommt, die salzige Luft spürt und einem der Wind das Haar zersaust, kommt die Liebe unweigerlich. Es ist eine enorm vielfältige Insel, die von ihren Gegensätzen lebt. Sylt steht nicht nur für Luxus, sondern vor allem für Natur und Erholung. Neben den Reichen und Schönen (die hier auch nicht schöner sind als anderswo) sind auch alle anderen auf der Insel herzlich willkommen.

Auf der Westseite findet man 40 Kilometer Sandstrand, auf der Ostseite erlebt man am Wattenmeer die Gezeiten hautnah. Mir gefällt die entspannte Atmosphäre und ich muss mir wieder einmal eingestehen, dass die schönsten Strände Europas nicht am Mittelmeer liegen. Drei Tage waren viel zu kurz, lange konnte ich nicht alles entdecken und besuchen, was ich eigentlich am Plan hatte.

Die Insel hat ihre Makel und Schandflecke, vielleicht mehr als anderswo. Gleichzeitig machen die vielen schönen Seiten das wieder wett. Mich hat das Fieber gepackt und ich werde wieder kommen, vielleicht nicht unbedingt (nur) auf die Insel Sylt, sondern auch auf die anderen Nordseeinseln. Im Vergleich zu Mallorca, der Lieblingsinsel der Deutschen, hat Sylt sich einen Platz in meinem Herzen erobert.

Künftig werde ich, die ich eigentich ein Kind des Südens bin, wieder öfter mal in vermeintlich weniger warme Regionen am Meer reisen. So steht die Südküste Englands mit Brighton und der Halbinsel Cornwall schon lange auf meiner Wunschliste.

Praktische Tipps

Neben der beschriebenen Anreise mit dem Flugzeug kommt man auch mit dem Autozug Sylt (Sylt Shuttle) von Niebüll über den Hindenburgdamm oder der Fähre von Rømø.

Übernachtet habe ich in der Sylter Blaumuschel. Das Hotel bietet moderate Preise, eine tolle Lage und sehr freundliches Personal. Das Frühstück (bis 11:30 Uhr) ist sehr reichhaltig und vielfältig. Wie oben beschrieben, gibt es schönere Orte auf der Insel als Westerland. Für mich erweist sich die Lage aber als optimal. Von der Inselmitte aus sind alle Punkte oder Orte der Insel mit dem E-Bike in einem Tag erreichbar.

Sylter Blaumuschel [Affiliate-Link, Werbung]

Restaurant-Tipps muss ich nicht unbedingt geben. Ich verlasse mich dabei gerne auf aktuelle Bewertungen und bin damit noch nie schlecht gefahren. Auf alle Fälle sollte man sich von den großen Namen nicht blenden lassen. Oftmals kann man an anderen Orten wesentlich besser essen.

Sylt: Beginn einer Inselliebe in der Nordsee
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Teilzeitnomadin Travellingcarola

Carola ist eine passionierte Teilzeitnomadin, verbindet Vollzeitberuf mit Reiselust. Sie ist der Kopf hinter Travellingcarola.

Seit 2016 schreibt sie authentische Reiseberichte über einzigartige Erlebnisse, gibt praktische Tipps und will andere inspirieren, die Welt zu entdecken.

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