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B(e)e in Manchester – 10 Überraschungen und Tipps

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Noch bevor ich meine Reise nach Manchester antreten konnte, wurde ich von allen Seiten gewarnt, wie hässlich die Stadt doch sei: eine alte, graue, schmuddelige und heruntergekommene Industriestadt. Auf derartige Aussagen reagiere ich gerne etwas trotzig und will mir vor Ort selbst ein Bild machen. Für jemanden, der in der Schweiz lebt, wo alles immer klein, niedlich und sauber ist, kann so eine – ihr verzeiht mir den Ausdruck – abgefuckte Stadt durchaus interessant sein.

Manchester ist jung, lebendig und vor allem kreativ.

Was mich an Manchester überrascht hat und welche Tipps (ganz ohne Fußball) ich für die Stadt habe, kannst du im folgenden Bericht nachlesen.

Klischee

Mit schuld am zweifelhaften Ruf der Stadt ist vermutlich auch Engels, der nach seinem Aufenthalt in England 1845 das Werk «Die Lage der arbeitenden Klasse in England» veröffentlichte. Darin prangert er Armut, Einkommensunterschiede, mangelnde Hygiene und die prekären Wohnverhältnisse in den Arbeitervierteln an.

Schönheit und Hässlichkeit liegen bekanntlich im Auge des Betrachters. Architektonische Höhepunkte erwarte ich nicht in einer Arbeiterstadt in Nordengland. Die Stadt hat eine pulsierende, junge Szene und sich in den letzten Jahren zu einer Kulturmetropole entwickelt. Kulinarisch gibt es so viel mehr zu entdecken als das klischeebehaftete schlechte Essen. Und das Wetter – nun, das ist eben englisch und lässt sich nicht ändern.

10 Überraschungen in und Tipps für Manchester fernab von Fußball und Stadien

Northern Quarter

Zwischen den Bahnhöfen Piccadilly und Viktoria im Nordosten der Stadt erstreckt sich das Northern Quarter. Das Northern Quarter ist so etwas wie das das urbane und kreative Herz der Stadt, mit einem ganz besonderen Charakter und Charme. Im Szeneviertel gibt es jede Menge Bars, Cafés, Restaurants, Plattenläden, Mode- und Schmuckgeschäfte.

Withy Grove Stores
Northern Quarter

Ein besonderes Schmuckstück ist die Markthalle Mackie Mayor. Das stilvoll sanierte Gebäude kann mit einem spannenden Gastro-Angebot aufwarten. Ich mag generell dieses Markthallen-Konzept. Bereits letzten Herbst im Holy Food Market in der Baudelo-Kapelle in Gent habe ich viel mehr Zeit verbracht, als ursprünglich geplant. Mackie Mayor hat den Ruf ziemlich teuer zu sein. Wer nur die Atmosphäre schnuppern will, macht dies am besten vormittgs, wenn der Andrang sich noch Grenzen hält.

Foodcourt
Markthalle Mackie Mayor

Bekannt und beliebt bei Touristen ist das Northern Quarter vor allem wegen seiner Graffitis und Street Art. Man kommt unweigerlich an diesen Kunstwerken vorbei. Einige Darstellungen wie die Blaumeise an einer Fassade in der Port Street und «War Children» am Parkplatz am Brightwell Walk sind weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Wenn ihr gezielt auf Besichtigungstour gehen möchtet, empfehle ich euch den Street Art Guide von Blocal.

Streetart am Parkplatz am Brightwell Walk
«War Children»

Afflecks und Ginger’s Comfort Emporium

Ebenfalls im Northern Quarter liegt Afflecks. Dem ehemaligen Kaufhaus Afflecks und Brown wurde in den 1980er-Jahren neues Leben eingehaucht. Seither bieten hier unabhängige Designer und Händler ihre Waren zu erschwinglichen Preisen an. Afflecks ist liebenswert verrückt, ein Mekka alternativer Kultur und Mode. Auch wenn man nichts kaufen möchte, lohnt sich ein Bummel durch das farbenfrohe Labyrinth. Neben den langweiligen überall gleich aussehenden Malls, stellt Afflecks eine willkommene Abwechslung dar. Und für die Teenies ist Afflecks sowieso Kult.

ehemaliges Kaufhaus Afflecks
Ginger’s Comfort Emporium

Der Besuch von Afflecks lohnt sich aber noch aus einem anderen Grund: Im ersten Stock gibt es im Ginger’s Comfort Emporium das angeblich beste Eis der Stadt. Ginger’s Comfort Emporium überzeugt mit ausgefallenen Kreationen und einem wechselnden Angebot. Vegane Sorten stehen ebenfalls zur Auswahl. Meine Baileys Orange Icecream war auf jeden Fall sehr lecker und besonders cremig.

Manchester als Filmkulisse

Mitten im City Centre haben Filmfans möglicherweise den Eindruck, dass ihnen so manches bekannt vorkommt. Die Townhall musste schon in manchem Film als Ersatz für das britische Parlament herhalten, unter anderem in «The Iron Lady» mit Meryl Streep und ist der Welt somit bestens bekannt.

Manchester als Filmkulisse
Northern Quarter

Manche Gegenden im Northern Quarter weisen eine frapannte Ähnlichkeit mit New York (Manhattan oder der Bronx) auf. Enge Gassen mit Feuerleitern und alte, verfallene Lagerhäuser sind die perfekte Filmkulisse. Für den Dreh von «Captain America: The First Avenger» aus der Marvel Comic-Serie wurden ganze Straßenzüge gesperrt.

Manchester und die Bienen

«Bee in the City», das war der Titel einer der spektakulärsten öffentlichen Kunstveranstaltungen in Manchester im Sommer 2018. Eine Kolonie von mehr als 230 Bienenskulpturen in verschiedenen Größen, gestaltet von Künstlern, bevölkerte während dieser Zeit die Stadt. Mit einer App und entlang eines Art Trails konnte man die Kunstwerke entdecken. Im Oktober wurden die Bienen dann zugunsten wohltätiger Zwecke versteigert.

Warum ausgerechnet Bienen? Nun, die Biene ist das Wahrzeichen der Stadt. Manchester trägt die Biene sogar im Wappen. Sie steht für den Fleiß der Menschen während der industriellen Revolution. Das Symbol der Arbeiterbiene ist überall in der Stadt zu sehen: als Mosaik in Böden, auf Laternenpfählen, Pollern, Mülleimern, Strommasten, Graffitis oder Skulpturen.

Vielleicht begegnet euch die Biene auch als Tatoo. Nach dem Terroranschlag im Mai 2017 nach dem Konzert von Ariana Grande ließen sich viele Menschen die Biene als Symbol für Stärke und Zusammenhalt tätowieren. Die Tattoo-Studios machten das für umgerechnet 60 Euro, wobei der Erlös an die Opfer des Anschlags ging.

Und tatsächlich gibt es in Manchester auch richtige Bienenstöcke auf den Hausdächern, unter anderem am Dach der Kathedrale. Sie sind von der Straße aus zu sehen. Das erklärt auch, warum Met neben Gin ein typisches und traditionelles Produkt ist.

Kathedrale, John Rylands Library und Townhall

So etwas wie eine wirkliche Altstadt sucht man in Manchester vergebens. Überall existieren viktorianische Prachtbauten, rote Backsteingebäude und Bausünden vergangener Jahrzehnte nebeneinander. Die wichtigsten historischen Gebäude sollte man sich bei einem Besuch auf keinen Fall entgehen lassen.

Die Kathedrale von Manchester wurde während der Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg und später beim Anschlag der IRA schwer beschädigt. Die Glasfenster wurden dabei zerstört und mussten durch moderne ersetzt werden. Im Inneren findet man aber immer noch wunderbar filigrane Holzarbeiten.

Turm der Kathedrale
Kathedrale

Gleich neben der Kathedrale befinden sich mit dem Old Wellington Inn Pub und der Oyster Bar zwei alte Fachwerkbauten.

Pub in einem alten Fachwerkhaus
Old Wellington

Eines meiner Highlights ist die John Rylands Library. Der alte Lesesaal hat nichts mit einer normalen Bibliothek zu tun. Man fühlt sich eher wie in einer Kathedrale oder einem Schloss. Der Besuch ist gratis und selbst im Lesesaal, der nicht nur Museum ist, sondern noch genutzt wird, darf man fotografieren.

Wie ihr bereits wisst, dient muss die Town Hall oft als Filmkulisse herhalten. Besichtigen kann man sie zurzeit leider nicht. Zwischen 2018 und 2024 wird hier renoviert und restauriert, sodass man das Rathaus nur von außen bewundern kann.

Chinatown und Curry Mile

Nach London gibt es in Manchester die größte chinesische Gemeinde in Großbritannien. Rund um die Faulkner Street reihen sich chinesische Restaurants, Bäckereien und Lebensmittelgeschäfte. Touristen zieht es vor allem wegen des riesigen Torbogens hierher.

Torbogen als Eingang zum chinesischen Viertel
Chinatown

Wer die indische Küche bevorzugt, ist in der sogenannten Curry Mile im Süden der Stadt bestens aufgehoben. Hier ist die Drehscheibe der indisch-pakistanischen Küche und Restaurants und Imbissbuden reihen sich wie an einer Perlenschnur aneinander. Besonders beliebt ist die Gegend bei Studenten, schließlichen liegen die Campi der großen Universitäten ganz in der Nähe.

Überhaupt ist die Küche sehr international: Japanische Poke Bowls, viatnamesische Pho und spanische Tapas (wie im Lunya in der wunderschönen Barton Arcade bei der Royal Exchange) konkurrieren mit Sunday Roast.

Royal Exchange Theater und Museen

Die ehemalige Baumwollbörse wird heute ganz anders genutzt. Neben einem Einkaufszentrum und dem Restaurant Rivals beheimatet das imposante Gebäude vor allem das Royal Exchange Theatre. Die Kapsel aus Glas und Stahl erinnert ein bisschen an ein Raumschiff. Das Besondere am Theater ist neben seiner Größe (keiner der Plätze weiter als zehn Meter von der Bühne entfernt) das Aufgebot an Stars, die hier schon auf der kleinen Bühne standen. Zu ihnen zählen Ben Kingsley, Helen Mirren, Vanessa Redgrave oder Julie Walters. Lange Zeit bevor sie durch Film und Fernsehen berühmt wurden, traten auch Kate Winslet und Hugh Grant hier auf.

Während meines Aufenthalts laufen gerade die letzten Vorstellungen von «Brechts Mutter Courage und ihre Kinder». Ich muss gestehen, dass ich schlecht vorbereitet bin und für dieses Wochenende dann leider keine Karten mehr bekomme. Die Preise dafür wären durchaus moderat.

Wer bei Manchester ausschließlich an eine ehemalige Industriemetropole denkt, wird vom umfangreichen kulturellen Angebot überrascht sein. Die Zahl der Museen ist beachtlich: Manchester Art Gallery, National Football Museum, The Lowry oder Imperial War Museum. Die Reihe ließe sich noch fortsetzen. Da mir neben den anderen Programmpunkten nicht endlos Zeit für Museumsbesuche bleibt, entscheide ich mich für das Science und Industrie Museum. Übrigens sind sämtliche Museen gratis.

Spinningfields

Hinter dem klingenden Namen verbirgt sich das Zentrum der Finanzindustrie und gleichzeitig ein architektonisch langweiliges Unterhaltungs- und Einkaufsviertel. Das Quartier ist aber auch eine riesige Baustelle. Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass hier vor dem Brexit noch sämtliche EU-Gelder verbaut werden.

neues Quartier und Finanzzentrum
Spinningfields

Castlefield und Bridgewater Canal

Das pure Gegenteil zum gesichtslosen Spinningfields ist Castlefield.

alte Eisenbahnbrücke
Castlefield

Trotz des typisch englischen Wetters gehören der Bridgewater-Kanal mit seinen Hausbooten und Schleusen, die alten Eisenbahnbrücken rund um Deansgate und den Resten der römischen Festung zu meinen Lieblingsplätzen.

Hausboote
Bridgewater Kanal

Die Deansgate Locks haben sich als beliebtes Ausgehviertel mit viel Ambiente etabliert. Ebenfalls gleich um die Ecke liegt das hässlichste Gebäude der Stadt. Der Beetham Tower beherbergt das Hilton-Hotel und ist mit 169 Metern das höchste Gebäude außerhalb von London. Ein Besuch in der Bar Cloud 23 (in der obersten Etage des Hilton Hotels) lohnt sich auf alle Fälle, sei es zum Afternoon Tea oder später auf einen Cocktail.

Hilton Hotel mit Bar Cloud 23
Beetham Tower

Salford Quays

The Quays sind eine moderne Hafenstadt in Greater Manchester, mit der Straßenbahn nur etwa 15 Minuten vom Stadtzentrum entfernt. Nicht nur an Sommerwochendenden ist das ein lohnendes Ausflugsziel. Besucher lernen nochmals ein anderes Gesicht der Stadt kennen. Inmitten der Salford Quays liegt The Lowry, einem Theater- und Galeriekomplex ein Meisterwerk moderner Architektur.

Ihr seht also, wer jetzt bei Manchester immer noch ausschließlich an Fußball denkt, ist eindeutig selber schuld. Es gibt mehr als United, City, Old Trafford und das Ethiad Stadion. Man mag mich als Banausin abstempeln, aber mit Stadiontourismus habe ich es nicht so. Hat man eines gesehen, kennt man alle.

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Fortbewegung

Mein Hotel liegt in Piccadilly, nahe des Bahnhofs. Vom Flughafen ins Zentrum kommt man am schnellsten mit dem Zug. Das Ticket kaufe in online auf Trainline und nutze es in der App. In England muss man das Ticket jeweils beim Betreten des Bahnsteigs und beim Verlassen vorzeigen.

Das Zentrum ist sehr kompakt und man kann sich wirklich überall zu Fuß fortbewegen. Sollte man doch einmal müde werden, gibt es die Möglichkeit den sogenannten Free Bus nehmen, ein kostenloser Service zwischen den wichtigsten Punkten in der Stadt. Einzig für den Weg nach Salford beziehungsweise Ziele in Greater Manchester würde ich den Metrolink (Straßenbahn) empfehlen. Tickets gibt es am Automaten an den Stationen.

Manchester – besser, als erwartet
Manchester

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Teilzeitnomadin Travellingcarola

Carola ist eine passionierte Teilzeitnomadin, verbindet Vollzeitberuf mit Reiselust. Sie ist der Kopf hinter Travellingcarola.

Seit 2016 schreibt sie authentische Reiseberichte über einzigartige Erlebnisse, gibt praktische Tipps und will andere inspirieren, die Welt zu entdecken.

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