Die größte zweisprachige Stadt der Schweiz gilt als Uhrenmetropole und liegt am nordöstlichen Ende des Bielersees. Bisher kenne ich Biel oder Bienne vor allem vom Durchfahren her. Zuletzt war ich vor zwei Jahren hier. Damals ging es aber nur vom Bahnhof mit dem Bus zur Haltestelle Rebenweg. Von dort aus startete ich meine Wanderung nach La Neuveville.
Nach meinen städtischen Entdeckungen im Drei-Seen-Land in Neuenburg und Murten im Juni möchte ich mir nun noch die Altstadt von Biel etwas näher ansehen.
Biel und seine Altstadt
Ich muss gestehen, dass ich die Stadt nicht besonders malerisch oder attraktiv in Erinnerung habe. Aber ich bin überzeugt, dass es hier noch mehr zu entdecken geben muss. Deshalb interessiert mich die Nidaugasse, die Einkaufsmeile mit ihrem internationalen Einheitsbrei, kaum. Mich zieht es in die Altstadt, die zwischen Raritätenläden, Ateliers und Boutiquen sowie lauschigen Plätzen, historischen Gebäuden und Arkadenhäusern noch die eine oder andere Überraschung bereithalten soll. Allerdings liegt sie einen fünfzehnminütigen Fußmarsch vom Bahnhof entfernt und somit nicht wirklich zentral.
Wunsch versus Realität oder durchkreuzte Pläne
Die Bieler verstehen es zu leben und ihre Stadt zu genießen. In Nicht-Corona-Zeiten trifft man sich z.B. an jedem ersten Freitag des Monats im Rahmen des sogenannten First Friday in der Altstadt. Dann haben Boutiquen, Shops und Läden bis 22:00 Uhr geöffnet und Galerien, Theater, Restaurants und Bars sorgen mit Spezialprogrammen und Konzerten für Unterhaltung. Einheimische und Gäste bummeln durch die hübschen historischen Gassen, shoppen, essen, feiern und trinken. Gerne hätte ich die Stimmung in der Altstadt an so einem Freitagabend erlebt. Bis auf Weiteres ist der First Friday jedoch abgesagt.
Die zweite Enttäuschung ist, dass die sogenannte «Nourritour», ein kulinarischer Spaziergang durch die Altstadt, nicht buchbar oder am gewünschten Datum bereits ausgebucht ist. Oftmals bin ich einfach zu spontan unterwegs. Auf der Nourritour kann man sich jeweils am Samstagmorgen durch verschiedene Spezialitäten kosten und besondere Lokalitäten besuchen. Dabei handelt es sich um einen selbstgeführten Rundgang ohne vorgegebene Reihenfolge. Entwickelt wurde das Angebot von Tourismus Biel Seeland, es kostet CHF 45.00. Für mich als «Foodie» und Liebhaberin von Foodtouren wäre das optimal gewesen.
Leider spielt auch das Wetter nicht ganz mit. Während in der Zentralschweiz bereits die Sonne lacht, ist das Drei-Seen-Land in dichten Nebel gehüllt. Später wird es noch ungemütlicher: Über der Region gehen einige heftige Schauer nieder, sodass wir schnell völlig durchnässt sind und das Fotografieren zur Nebensache wird. Erst am späteren Nachmittag auf der St. Petersinsel bahnt sich die Sonne ihren Weg durch Nebel und Wolken und es wird angenehm warm.
Streifzüge durch Altstadt am Samstagmorgen
Ohne vorabendliches Feiern und ohne die offiziellen Übersichtskarte von Tourismus Biel Seeland mit den an der Nourritour teilnehmenden Betrieben ziehen wir kurzerhand auf eigene Faust los. Durch die Collègegasse betreten wir die Altstadt und bekommen mit kleinen Geschäften wie dem Sockeye Wildlachsimport & Trüffelspezialitäten und der Altstadtmetzg Häberli einen ersten Eindruck davon, was uns erwartet.
Markt
Samstags findet auf dem Burgplatz der Gemüsemarkt statt. An den Ständen in der Burggasse und rund um den Gerechtigkeitsbrunnen ist alles zu finden, was das Seeland an Gemüse so hergibt. Typisch Herbst leuchten orange Kürbisse und violette Zwetschgen um die Wette. Aber auch Blumen, Fleisch- und Wurstwaren sowie Milchprodukte sind im Angebot. Würde ich in der Stadt wohnen, wäre der samstägliche Marktbesuch für mich ein Fixtermin.
Gleichzeitig ist heute noch Handwerkermärit mit handegemachtem Schmuck, Keramik oder anderen Accessoires. Rund um den Vennerbrunnen am Ring geht es also auch geschäftig zu und her. Wir schlendern ziellos durchs Gassengewirr und lassen uns einfach treiben. In der Obergasse und beim Engelsbrunnen wird es etwas ruhiger. Einzig vor Mosimann’s Bäckerstübli bildet sich eine lange Schlange. Die kleine Bäckerei ist übrigens eine der Stationen der Nourritour und hat ausgezeichnetes Brot und Gebäck.
Spezialitäten aus der Region
In den kleinen Läden unter den Arkaden oder in den Gewölbekellern in der Neugasse gibt es allerlei Nützliches und Überflüssiges aus aller Welt: Antiquitätenhändler, Trödler, Theater, Galerien oder Antiquariate. Langsam haben wir einen Kaffee nötig. Den gönnen wir uns in Edu’s Coffee & Clothes. Edu’s kombiniert Kaffeekultur und Qualitätsmode und setzt dabei auf Nachhaltigkeit. Die bunt zusammengewürfelten Möbel vor dem Café sind toll. Und man kann von hier aus wunderbar das Treiben in der Schmiedengasse beobachten. Auch das Edu’s Coffee und Clothes zählt zu den Stationen der Nourritour.
Gestärkt stöbern wir nun in den verschiedenen Lebensmittel- und Spezialitätengeschäften in der Umgebung. In der Fromagerie Spielhofer gibt es eine tolle Auswahl an Käse und fachkundige Bedienung. Die Epicerie Moderne Batavia trumpft ebenso wie das Le Petit Coin Du Seeland mit lokalen Produkten auf. Liebhaber guter Schokolade (damit meine ich richtige, hochprozentige Schokolade) sollten in der Chocolaterie Langel vorbeischauen. Beliebtes Mitbringsel sind die Bieler Pflastersteine. Das Besondere ist aber, dass Produktion und Verkaufsraum nicht getrennt sind. Noch mehr Süßes finden Nachkatzen in der Biennoserie in der Untergasse. Sie ist berühmt für ihre Macarons und Ceglieses.
Mittags kehren wir spontan im Les Caves ein. Da es mittlerweile regnet nehmen statt im hübschen Garten im Kellergewölbe Platz. In der Untergeasse findest du mit dem St. Gervais ein traditionelles und sehr gutes Restaurant. Der kleine Platz zwischen dem St. Gervais und dem Café du Commerce vermittelt sogar ein bisschen Frankreich-Feeling.
In der Untergasse haben übrigens auch anno dazumal berühmte Persönlichkeiten wie der Schriftsteller und Philosoph Jean-Jacques Roussau im Haus Nummer 12 oder der Pädagoge Heinrich Pestalozzi im Haus Nummer 4 vorübergehend gewohnt. Gedenktafeln erinnern noch heute daran.
Urban, hip und ökologisch
Für eine 50’000-Einwohnerstadt erlebe ich Bieler Altstadt erstaunlich urban und hip, aber auch authentisch und charmant. Manch andere Schweizer Stadt kann da nicht mithalten. Irgendwie ist ein Besuch wie eine kleine Reise ins Ausland. Es sind die Kontraste zwischen Alt und Neu, die verschiedenen Sprachen und Kulturen und der Hauch von Luxus neben teilweise heruntergekommenen Quartieren, die faszinieren.
Biel außerhalb der Altstadt
Die Uhrenmetropole ist Sitz der bekannten Marken Omega und Swatch. In der Cité du Temps können Besucher in zwei Museen in die unterschiedlichen Welten der Uhrmacherkunst eintauchen. Das futuristische Gebäude in Form eines Drachens geht zurück auf den japanischen Stararchitekten Shigeru Ban. Und dann sind da noch andere Museen wie das Kunsthaus Centre d’art Pasquart oder das Neue Museum Biel.
Gebäude im Bauhaus-Stil erwartet man in deutschen Städten wie Dessau, Berlin oder Stuttgart, und vor allem in Tel Aviv. Dass es hier rund um den General-Guisan-Platz und entlang der Murtenstraße Bauten aus dieser Epoche gibt, wissen die wenigsten. Zurückzuführen ist dies auf die Verlegung des Bahnhofs in den 1920er Jahren. Auf dem dadurch frei werdenden Land entstanden Gebäude im Stil des Neuen Bauens.
Für Gruppen gibt es in der Kleinstadt spannende Führungen, z.B. die Tour Urbanes Biel. Unterwegs mit Bikes geht es vom Güterbahnhof zum neuen Quartier rund um die Swatch Group. Dabei erlebt man, wie facettenreich die Stadt ist und entdeckt man Graffitis das Terrain Gurzelen. Dieses wird unter anderem für Urban Gardening genutzt, das Gemüse am Wochenmarkt verkauft.
Ausflug auf die St. Petersinsel
Bevor Roussau in die Stadt kam, weilte er auf der St. Petersinsel. Die langgezogene Insel am südwestlichen Ufer des Bielersees ist Naturschutzgebiet und beliebtes Ausflugsziel in der Region Drei-Seen-Land. Am stilvollsten erreicht man die St. Petersinsel natürlich per Schiff. Der coronabedingt ausgedünnte Fahrplan setzt aber gute Planung voraus. Wir wählen die Variante von Erlach aus. Hier ist die Insel über eine Landbrücke mit dem Festland verbunden.
Die St. Petersinsel ist autofrei. Auf dem Heideweg kann man sie in etwas mehr als zwei Stunden durchqueren. Der Heideweg führt durch Schilf und lichte Waldstücke und verläuft völlig eben. Der schönste Abschnitt ist das kurze Wegstück, das über Holzstege direkt durch den Schilfgürtel führt. Auch Abstecher zum Aussichtsturm, an die kleinen Sandstrände oder zu den Grillplätzen am Wasser sind zu empfehlen. Ziel eines Spaziergangs über die St. Petersinsel ist meist das Cluniazenser-Kloster.
Das Klosterhotel und Restaurant bestechen durch die einmalige Atmosphäre und die historischen Räumlichkeiten. Neben dem Restaurant gibt es ein Bistro mit Selbstbedienung, das bei Ausflüglern sehr beliebt ist. Die Produkte im. Klosterhotel kommen mehrheitlich aus der Region. Es gibt Fisch aus dem Bielersee, Wein von den Rebbergen auf der St. Petersinsel und das Angus-Beef von den Bauern auf der Insel. Wir gönnen uns ein selbstgemachtes Eis aus dem kleinen Selbstbedienungshofladen von Schumachers Biohof gleich nebenan.
Zeitlich schaffen wir es leider nicht, das Schiff an der Haltestelle St. Petersinsel Nord zu erreichen. So müssen wir den ganzen Weg auch wieder zurücklaufen. Nicht, dass das anstrengend wäre, aber etwas monoton ist es doch. Aufgrund meiner Erfahrungen würde ich die St. Petersinsel eher zum Radfahren als zum Wandern empfehlen. Und irgendwie noch schöner ist der Blick auf die St. Petersinsel vom Nordufer des Sees aus, wie man ihn vom Rebenweg aus hat.
Abschluss am Mont Vully
Nach dieser kleinen Wanderung beschließen wir unseren Tagesausflug mit einem Blick vom Mont Vully auf dem Murtensee. Wir genießen die Abendstimmung, zuerst am Aussichtspunkt, später auf der Terrasse des Restaurants Mont Vully. Vom Restaurant aus kann man auf einem kurzen Spaziergang auch die Grottes du Vully erreichen.
Carola ist eine passionierte Teilzeitnomadin, verbindet Vollzeitberuf mit Reiselust. Sie ist der Kopf hinter Travellingcarola.
Seit 2016 schreibt sie authentische Reiseberichte über einzigartige Erlebnisse, gibt praktische Tipps und will andere inspirieren, die Welt zu entdecken.
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